| Geschlechtergeschichte
Arbeit und Geschlecht

„Die wahre Bestimmung des Weibes...“

Unbedeutend, eigennützig, die Sitten untergrabend? Oder konstitutiv für Haus- und Heilsökonomie? Historiker:innen reden darüber, wie Tätigkeit, wie Arbeit von Frauen wann bewertet wurde.

Von Magdalena Irnstötter

Arbeit zählt seit Jahrzehnten zu einem der zentralen Themen der Geschlechtergeschichte. Die Erforschung der Frage, wie Tätigkeiten zu Arbeit werden und wie dieser Transformationsprozess mit Geschlecht verbunden ist, stellt allerdings weiterhin ein Desiderat dar, dessen sich der „Arbeitskreis Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit“ in seiner 28. Jahrestagung angenommen hat.

In zehn Beiträgen analysierten die Teilnehmer:innen in Stuttgart-Hohenheim epochenübergreifend und interdisziplinär soziale Räume, diskursive Praktiken und körpergeschichtliche Dimensionen der langen Beziehungsgeschichte zwischen Arbeit, Macht und Geschlecht. Die konstruktiven, lebhaften Diskussionen machten wie jedes Jahr den besonderen Reiz des Treffens aus.

Ein bedeutender Transformationsprozess, darauf wies Susanne Schötz hin, spielte sich im 19. Jahrhundert ab. Im Kontext des vorherrschenden bürgerlichen Geschlechterideals, das die „wahre Bestimmung des Weibes“ im Inneren des Hauses erkannte, wurde die immer schon bestehende weibliche Erwerbstätigkeit neu interpretiert. Neben ihrer Abwertung als unbedeutend, eigennützig und die Sitten untergrabend, ergaben sich aus den Wechselwirkungen von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, Industrialisierung und der Liberalisierung des Gewerberechts für Frauen damals aber auch neue Möglichkeiten in weiblich konnotierten Bereichen. In ihrem Kommentar dazu betonte Inken Schmidt-Voges die Notwendigkeit der Historisierung sowohl vergangener wie auch gegenwärtiger Arbeits-, Erwerbs- und Lohnbegriffe, welche, je nach betrachtetem Zeitraum, zu unterschiedlichen Ein- und Ausschlüssen führten.

Wert und Ehre der Magd

Ausgehend von einem sehr weiten Arbeitsbegriff zeigten Sabine Miesgang und Sarah Deichstetter dementsprechend, welche Bedeutung die Tätigkeit arbeitender Chorfrauen und Stifterinnen für die spätmittelalterliche Heilsökonomie hatten, auch wenn sie in der Geschichtsschreibung über Jahrhunderte weitgehend unsichtbar gemacht wurden.

Tim Rütten fokussierte den von ihm als querelle des servantes bezeichneten Diskurs über Dienstmägde, mittels welchem die Figur der häuslich-reproduktiv tätigen Magd eine Entwertung erfuhr. An seinem Höhepunkt um 1700 wurde die Magd zur Person mit verminderter Ehre, deren Arbeit kein besonderer Wert beizumessen war.

Als entscheidend kristallisierte sich im Laufe der Tagung außerdem die Einbettung von Arbeit in ihre jeweiligen Herrschaftskonstellationen heraus. So demonstrierte etwa der Beitrag von Giulio Erbar, dass die Beschränkung der Rechtsgeschäfts- und Prozessfähigkeit von württembergischen Frauen in der Praxis weitgehend unterlaufen wurde und dass weibliche Arbeitstätigkeit akzeptiert war. Das Landrecht wies Frauen allerdings eine rechtliche Sonderrolle zu und konstruierte auf diese Weise Geschlecht.

Nebenwirkungen der Professionalisierung

Luiça Graab zeigte, dass Frauen höherer sozialer Schichten in der république des lettres zwischen 1780 und 1820 als Botanikerinnen, aber auch als Anatominnen reüssieren konnten, wenngleich ihr Geschlecht ihnen Grenzen setzte.

Neue Barrieren für Frauen entstanden mit der „Professionalisierung“ der Medizin, wie Sophie Fäs am Beispiel der Beziehung zwischen Hebammen und den sie ausbildenden, kontrollierenden und im Fall von Komplikationen ersetzenden Ärzten in der Schweiz zwischen 1870 und 1960 demonstrierte. Sie sieht im gestiegenen Ansehen der Ärzte einen wesentlichen Grund für den Übergang von der Haus- zur Klinikgeburt in dieser Zeit.

Dass die soziale Position der Dienstherrinnen auch auf die der Bediensteten rückwirkte, zeigte Waldraud Schütz. Die bei hochadeligen Frauen angestellten Kammerjungfern waren im Wien des frühen 19. Jahrhunderts sehr gefragt und angesehen. Ihre adeligen Dienstherrinnen engagierten sich in dieser Zeit in verschiedenen Initiativen zur Ausbildung von Mädchen niederer Schichten – eine Tätigkeit, die erneut nur in einem weiten Arbeitsbegriff als Arbeit anerkannt wurde und wird.

Arbeit und Machtkonstellationen

Gerichte waren, wie Stephanie Rieder-Zagkla darlegte, im 19. Jahrhundert weitgehend männlich geprägte (Arbeits-)Orte. Daran änderte sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nicht, auch wenn Frauen allmählich als Juristinnen oder Ärztinnen arbeiteten.

Wann, wo und warum der Begriff „Arbeit“ in Quellen auftaucht; wovon wir reden, wenn wir von „Arbeit“ sprechen und welche Tätigkeiten sich in der Langzeitperspektive wann und wo in „Arbeit“ transformieren, sind weiterhin zentrale Themen der Geschlechtergeschichte. Was jeweils als Arbeit gilt, kann nie „von außen“ und isoliert verstanden werden, sondern ist in Beziehungs- und Machtverhältnisse, Wirtschaftssysteme, Herrschafts- und Statuskonstellationen eingebunden und konstituiert diese wiederum. Eine umfassende Kontextualisierung des Spannungsfeldes aus Arbeit, Macht und Geschlecht im konkreten Einzelfall ist – so das Fazit der Tagung – für die historische Forschung daher unumgänglich.

Lucien Simon (1861–1945), Die Kartoffel-Ernte