| Dr. Heike Wagner | Internationales, Migration, Menschenrechte
Begegnung auf dem Martinsberg

Friedenspotenzial muss gefördert werden

Religionen sind oft an gewalttätigen Konflikten beteiligt, jedoch nicht deren Ursache, betonte der Friedensforscher Andreas Hasenclever bei seinem Vortrag im Tagungshaus Weingarten.

Von Heike Wagner

In vielen Bürgerkriegen spielen Religionen und ihr Bodenpersonal eine verheerende Rolle. Sie unterstützen die Gewalteskalation und verhindern Verhandlungslösungen. Steckt Gewalt also im Kern von Religion? Von bestimmten Religionen? Bei einer Abendveranstaltung im Tagungshaus Weingarten sprach Prof. Dr. Andreas Hasenclever zur „Ambivalenz von Religionen in bewaffneten Konflikten“.

Es gebe, so Hasenclever, keine empirischen Befunde dafür, dass religiöse Unterschiede das Risiko von Gewalt erhöhen würden. Vielmehr seien politische Diskriminierungserfahrungen und horizontale Ungleichheiten zentrale Gründe für Konflikte. Es gebe daher - wie oft behauptet - auch keine spezifische Gewaltbereitschaft des Islam. Die Konflikte der vergangenen Jahre hätten sich vielmehr in Regionen ereignet, in denen der Islam verbreitet ist. Ursache der Konflikte seien jedoch keine genuin religiösen Gründe gewesen und somit nicht im Islam oder einer anderen Religion begründet. Der Zusammenhang von Religion und Gewalt müsse daher in der oft angenommenen Reihenfolge hinterfragt werden: Zuerst stehe der Konflikt. In einem zweiten Schritt erst komme die religiöse Aufladung. Religionen folgten also oft dem Krieg und nicht umgekehrt, betonte der Friedensforscher.

Resonanzkörper für gewaltsame Aufladung

Da religiöse Überzeugungen identitätsstiftend wirken, stellen religiöse Konflikte, sagte Hasenclever, einen idealen Resonanzkörper für eine gewaltsame Aufladung dar. Im Umkehrschluss bedeute dies aber auch, dass Religionen etwas dagegen tun können: Es gelte das Friedenspotenzial von Religionen systematisch zu stärken und andererseits das Konfliktpotenzial systematisch zu reduzieren in Form von Instrumentalisierungsprophylaxe: Friedensnetzwerke stärken, inklusive Identitäten durch religiöse Bildung, sich Kennenlernen, Begegnen und religiöses Bewusstsein fördern. Im Wissen voneinander, in der Anerkennung von Unterschieden und in der Begegnung im Miteinander können Fundamentalismus und Mobilisierungsmöglichkeiten reduziert und die Dialogfähigkeit erhöht werden. Dies stehe im Zentrum vieler Friedensbeispiele, u.a. auch dem Projekt Weltethos des in diesem Jahr verstorbenen Theologen Hans Küng.

Im Anschluss an den Vortrag und die Diskussion mit Hasenclever fand ganz im Sinne des Diskutierten die Eröffnung der Ausstellung Weltethos und der Reihe „Begegnung auf dem Martinsberg: Theologien, Kulturen und Menschen im Dialog“ statt. Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative der beiden Weingartener Hochschulen, der ev./kath. Hochschulgemeinde, des Religionspädagogischen Instituts sowie der Akademie in Weingarten. Bis Juli 2022 bietet sich die Möglichkeit, zusammen mit Menschen verschiedener Kontexte, Religionen, Kulturen und Altersgruppen ins Gespräch zu kommen. Ein besonderes und wichtiges Projekt, wie auch Bürgermeister Alexander Geiger in seinem Grußwort der Stadt Weingarten betonte.

Begegnung steht im Mittelpunkt

Das Projekt lädt ein, gemeinsam die Synagoge in Ulm zu besuchen, ein buddhistisches Kloster in Untereschach sowie eine albanische Moschee. Als erste religiöse Stätte wurde am 22. November bereits die Basilika in Weingarten besucht. Die Reihe ermöglicht es, Menschen, Kulturen, Religionen und deren Theologien kennenzulernen, bei einem Fest der Begegnung zusammen zu feiern oder mit Menschen verschiedenster Religionen um Frieden zu beten. Die genauen Termine und aktuellen Hinweise entnehmen Sie den Homepages der teilnehmenden Institutionen (z.B. www.akademie-rs.de/aktuell; www.rpi-weingarten.de).

Hinweise zu den Öffnungszeiten der Ausstellung Weltethos, die noch bis 28. Januar 2022 im Tagungshaus Weingarten in den Gängen vor dem Religionspädagogischen Institut zu sehen ist finden Sie hier: www.akademie-rs.de/vrueck_24498.

Mit Abstand hörte das Publikum in Weingarten den Vortrag zur Eröffnung der Reihe "Begegnung auf dem Martinsberg".
Der Gastredner Professor Dr. Andreas Hasenclever mit Andrea Bremer, Schuldekanin und Leiterin des Religionspädagogischen Instituts, sowie Heike Wagner, Leiterin des Fachbereichs Internationale Beziehungen bei der Akademie (rechts)