| Dr. Heinz-Hermann Peitz | Mensch und Umwelt
Exkursion

Blick hinter die Kulissen des Europaparks

Ein Vergnügungspark als nachhaltiges Reiseziel – geht das? Einschlägige Zertifizierungen sprechen dafür, und die diesjährige Nachhaltigkeitsexkursion hat sich davon ein eigenes Bild gemacht.

Von Heinz-Hermann Peitz

Im Europapark Gast sein zu dürfen, ist an sich schon ein beeindruckendes Erlebnis. Nicht umsonst ist der Park vielfach ausgezeichnet. Dass die Betreiber als langjähriges Familienunternehmen und mit starker regionaler Verwurzelung traditionelle Werte in ihrer Unternehmensethik verwirklichen, ist glaubwürdig. Aber wie ist es um die immer wichtiger werdenden Werte der Nachhaltigkeit bestellt? In der Selbstdarstellung des Europaparks ist zu lesen, „dass Nachhaltigkeit seit jeher zur DNA“ des Familienunternehmens gehört. Unausgesprochen kann sich der dort formulierte „Dreiklang der Nachhaltigkeit von Ökonomie, Ökologie und Sozialverträglichkeit“ auf das bekannte ‘Drei-Säulen-Modell‘ einer nachhaltigen Entwicklung berufen. Da das Papier (auch das digitale) einer Selbstdarstellung bekanntlich geduldig ist, empfehlen sich externe und belastbare Belege für die Nachhaltigkeit. Unter den erwähnten zahlreichen Auszeichnungen des Parks gibt es denn auch mindestens zwei einschlägige Zertifikate:

  • 2013 konnte der TÜV den Europapark als weltweit ersten „Green Amusement Park“ auszeichnen und
  • 2014 erhielt der Europapark als erste Tourismusdestination von der rot-grünen Landesregierung die Auszeichnung „Nachhaltiges Reiseziel“. 

Die Zertifikate machen neugierig und sind Grund genug, den Europapark einmal unter einer grünen Perspektive zu betrachten.

„Der Europapark ist nicht nachhaltig, sondern wird immer nachhaltiger”

Michael Kreft von Byern ist seit mehr als 30 Jahren in unterschiedlichen Führungspositionen für den Europapark tätig, unter anderem für die Außendarstellung des Parks, aber auch als Nachhaltigkeitsbeauftragter. Sein sympathischer Eröffnungsvortrag beginnt mit einer kleinen Überraschung: „Der Europapark ist nicht nachhaltig, sondern wird immer nachhaltiger“. Diese Einordnung macht den Prozesscharakter auch der ökologischen Bemühungen deutlich und gesteht ebenso ein, dass in vielen Bereichen noch Optimierungsmöglichkeiten stecken.

Die positive Bilanz des bisher Erreichten kann sich indes sehen lassen:

  • Photovoltaik-Anlagen seit 2001
  • Geothermie
  • 4 Blockheizkraftwerke
  • Wasserkraftwerk
  • Wassertechnik, zu 80% recycliert, die (vorgeschriebenen) 20 % Frischwasser werden über eigenen Tiefbrunnen gewonnen
  • regionale Lieferanten / 100% fair-trade-Kaffee

Die Liste ergänzte sich noch durch den Blick hinter die Kulissen der Park-Gärtnerei am nächsten Tag.

Besuch beim Chef der grünen Oase

Mit „Chef der grünen Oase” ist Gärtnermeister Jürgen Sedler richtig, aber nur unzulänglich beschrieben. Er engagiert sich seit 30 Jahren als Betriebsleiter für Gartenbau, Landschaftsbau und Entsorgung, was Beet-Gestaltung, Floristik der Hotels, das Ambiente der Wege und Plätze, die Weihnachtsbäume im Winter, aber auch die 800 Mülleimer des Parks umfasst. Dabei wird er unterstützt durch 83 ganzjährige und 20 bis 80 saisonale Mitarbeiter, dazu betreut er Auszubildende in Gärtnerei und Floristik.

Allein die schieren Zahlen des grünen saisonalen Spektrums von 150.000 Frühjahrsblumen, 250.000 Sommerblumen, 100.000 Herbstblumen, 2500 Kübelpflanzen, 1800 Blumenkästen, uvm. lassen uns den Park mit anderen Augen sehen … und lassen fast vergessen, dass „grün” ja auch die ökologische Dimension meint. Die Sorge, dass unsere Leitperspektive verlogen geht, ist unbegründet:

  • Pflege des historischen Schlossparks, dabei Bestandserhaltung der Baumveteranen, die zum Teil mehr als 150 Jahre alt sind, und wo möglich unterirdische Tropfbewässerung ohne Streu- und Verdunstungsverluste der üblichen Sprinkler
  • Insektenhotels und Bienenpavillons, aus denen die eigene Imkerei Honig für die Hotels gewinnt
  • Natursteinmauern für Reptilien und Kleintiere
  • Nistkästen für Vogelvielfalt
  • Gestaltung der Parkumgebung:
  • Wasser-Rückhaltebecken
  • Begrünungen und Blühflächen um Zufahrtsstraßen herum
  • Wild- und Fledermauskorridore

Vielfalt des Angebots und große Liebe zum Detail

Der kurze Rundgang durch Michael Kreft von Byern hat erfolgreich Appetit auf Mehr gemacht, und die Botanik des Parks erfuhr nach der Einführung von Jürgen Sedler eine ganz eigene Wertschätzung. Entsprechend positiv war die Rückmeldung der Teilnehmenden auf den Parkbesuch, und erst recht diejenigen, die den Park zum ersten Mal erleben konnten, waren überrascht von der Vielfalt des Angebots und der großen Liebe zum Detail. Kurz: Der Europa-Park wurde als äußerst lohnenswertes Reiseziel gelobt. Aber ist er auch ein „nachhaltiges Reiseziel“?

Zur Beantwortung dieser Frage ging es nicht um Grundsätzlichkeiten und die triviale Erkenntnis, dass unberührte Natur anstelle eines Vergnügungsparks nachhaltiger wäre. Dies mag zwar sein, aber dann fielen eine Reihe von gesellschaftlichen Funktionen weg, über die man natürlich trefflich streiten kann. Das gilt im Übrigen auch für jedes Tagungshaus und jede Akademie – um einmal pro domo zu sprechen. Es geht also eher um die Frage: Wieviel Nachhaltigkeit ist in einem Vergnügungspark (auch im Vergleich zu anderen) möglich? Und was kann man daraus für diözesane Nachhaltigkeitsstrategien und Öffentlichkeitsarbeit lernen?

Vor diesem Fragehintergrund wurde das oben aufgelistete ökologische Engagement zuächst einmal mit Respekt zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus wurden aus Sicht der Teilnehmenden Verbesserungsvorschläge und kritische Nachfragen gestellt – vor Ort und in der Nachbesprechung.

  • In quantitativer Hinsicht scheint manches noch optimierbar zu sein. Könnte etwa der bereits jetzt schon üppige Photovoltaik-Anteil noch ausgebaut werden? Platz genug scheint es zu geben.

Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Könnten die beeindruckenden PV-Flächen noch erweitert werden?
(Abbildung aus der Präsentation von Jürgen Sedler)

  • Bei manchen Zahlen, zum Beispiel dem Wasserverbrauch, wäre größere Transparenz wünschenswert – auch auf die Gefahr hin, dass sich kritische Bürgerinitiativen damit (zu Recht?) munitionieren. Transparenz ist dabei nicht von außen herangetragen, sondern bereits im Nachhaltigkeitsbericht des Europaparks von 2015 als Selbstverpflichtung genannt: „Ziel der Einführung des Nachhaltigkeitssanagementsystems ist es, ein System mit größtmöglicher Transparenz in Bezug auf alle Leistungen, Prozesse, Tätigkeiten, Aufgaben und Ziele zu schaffen.“
  • Vermisst wurde eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie mit operationalisierten Reduktionszielen z. B. für den CO2-Verbrauch.
  • Auf die Nachfrage nach der geplanten Ausweitung des Parks wurde mit ökonomischer Effizienz geantwortet. Ein deutlicherer Hinweis auf die ökologische Verträglichkeit wäre wünschenswert gewesen.
  • Man liest mit Freude, dass der Park Juli dieses Jahres vom „Institut für Management und Wirtschaftsforschung“ (IMWF) und dem „DEUTSCHLAND TEST“ als ökologischer Spitzenreiter der Branche gelistet wird. Noch wünschenswerter wären indes faktenbasierte Re-Zertifizierungen, die über die IMWF-Analyse von Internetnennungen hinausgehen und das fortschreiben, was 2013/2014 zu den damaligen Auszeichnungen geführt hat.

Diese und ähnliche Punkte könnten bei einem „nachhaltigen Reiseziel“ die Ökologie im „Drei-Säulen-Modell“ wieder deutlicher in den Fokus (auch der öffentlichen Wahrnehmung) rücken und dem prozesshaften Ansatz einer „Nachhaltigkeit im Werden“ noch mehr Glaubwürdigkeit verleihen.

Emanuel Gebauer: Nachhaltiger Tourismus ist vielfältig

Das Europapark-Label „nachhaltiges Reiseziel“ lud auch dazu ein, grundsätzlich über die Kriterien und die Vielfalt des nachhaltigen Tourismus nachzudenken. Der promovierte Kunsthistoriker, studierte Religionspädagoge und – nicht zuletzt – Tourismusfachwirt Emanuel Gebauer stellte ein wahres Kontrastprogramm zum Vergnügungspark vor und setzte auf Entschleunigung, Begegnung und terranes Reisen.

Als Kriterien für nachhaltigen Tourismus wies Gebauer zunächst drei Stichpunkte auf:

  • So wenig wie möglich auf die bereiste Natur einwirken bzw. ihr schaden
  • Die Natur möglichst nah, intensiv und ursprünglich erleben
  • Sich der Kultur des bereisten Landes möglichst anpassen

Ein Park mit einem Europa umfassenden Themenkonzept dürfte sich bei allen drei Punkten schwertun, leichter fiele die Einhaltung des Kriteriums der Welttourismusorganisation:

  • Laut der Welttourismusorganisation (UNWTO) ist Tourismus nachhaltig, wenn seine gegenwärtigen und zukünftigen ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen vollumfänglich berücksichtigt und die Bedürfnisse der Besucher, der Industrie, der Umwelt und der Einheimischen integriert werden.

Hier kommt wieder das „Drei-Säulen-Modell” zum Tragen, dem sich ja auch der Park verpflichtet weiß. Gebauer war freilich nicht eingeladen, den Park zu bewerten, sondern das breite Spektrum des nachhaltigen Reisens zu entfalten. Unter dem Etikett des terranen Reisens erscheint eine Fülle von Möglichkeiten.

Terranes Reisen wirbt für Reisen ohne Flugzeug und einen ‘geerdeten’ Lebensstil. „Terran sein ermöglicht Freiheit, Abenteuer und Begegnung – und schont dabei das Klima“, so die Website, auf die Gebauer werbend hinweist. Pilgern ist eine besondere Art des terranen Reisens, und Gebauer ist der deutsche Repräsentant des Fördervereins für den Jerusalemweg. Als längster Friedens- und Pilgerweg der Welt bringt er in gegenseitiger Wertschätzung verschiedene Religionen, Nationen und Kulturen zusammen. Mit kleinem Augenzwinkern könnte man hier eine Gemeinsamkeit mit dem Europa-Park ausmachen: Auch hier kann man von Nation zu Nation und von Kultur zu Kultur ‘pilgern’ – wohl nicht mit gleichem Tiefgang, aber üben kann man ja schon mal.

Was Jakobspilger mit dem Parkhotel Santa Isabel zu tun haben

Von Spanien auf dem obigen Foto nach Portugal zum Hotel Santa Isabel. Andreas Wilhelm, seit 17 Jahren ständiger Diakon im Europa-Park, kennt viele Geschichten und Anekdoten über die Entstehung des Hotels, das im Stil eines portugiesischen Klosters erbaut wurde. Die Kapelle wurde dabei dem heiligen Jakobus geweiht, denn Rust war ein im Mittelalter von sehr vielen Jakobspilgern aufgesuchter Ort, um den Rhein über die Sandbänke zu durchqueren.

In der Jakobuskapelle befindet sich ein original spanischer Altar aus der Region Toledo mit einer ebenso originalen Figur des heiligen Dominikus.

Die Figur des heiligen Jakobus ist ein im Europa-Park geschnitztes Replikat eines im Freiburger Ordinariat befindlichen mittelalterlichen Jakobus. An der hinteren Wand der St. Jakobuskapelle befindet sich noch ein koloriertes Replikat der Jakobssegnung.

Das achteckige Refektorium ist dem Speisesaal der Mönche nachempfunden und dient heute als Konferenzraum und Festsaal.

Übrigens: Dass sich der Park mit Andreas Wilhelm und seiner evangelischen Kollegin Andrea Ziegler zwei Seelsorger leistet und damit ein abwechslungsreiches Programm im Rahmen der „Kirche im Europa-Park” gestalten kann, haben manche Teilnehmenden von einem Vergnügungspark in dieser Form nicht erwartet. Dieses Programm bietet am Rande auch überraschende Brücken zur Nachhaltigkeit: Es ist schon eine langjährige Tradition, wenn Europapark Inhaber Jürgen Mack am 26. Juni im Hotel Santa Isabell Pilger des badischen Jakobusweges willkommen heißt – ein Beitrag also auch zum nachhaltigen Reisen im Sinne Gebauers. Ausdrücklich verbindet Jürgen Mack im vergangenen Jahr nachhaltigen Tourismus mit den Nachhaltigkeitsbemühungen des Parks: „Regionales Pilgern ist damit auch eine Chance für die Weiterentwicklung eines nachhaltigen Tourismus. Auch der Europapark baut seit vielen Jahren auf eine nachhaltige Strategie im Hinblick auf Gäste, Umwelt und Mitarbeiter.”

Wie kommt die Diözese beim Klimaschutz voran?

Dass nach einem anstrengenden Tag die Abendeinheit noch über zwei Stunden dauerte, zeigt, wie intensiv die Möglichkeiten der Information aus erster Hand, des Erfahrungsaustausches und der Vernetzung genutzt wurden. Anlass der lebendigen Diskussionen waren die aktuellen Informationen von einem, der es wissen muss: Christian Peter Brandstetter ist seit 2019 Klimaschutzmanager der Diözese Rottenburg-Stuttgart und zuständig für die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes der Diözese. Das derzeitige Ziel des 2017 beschlossenen Konzept ist die Klimaneutralität für die Diözese bis zum Jahr 2050. Ob und auf welche Weise bisherige Zwischenstationen auf dem Reduktionspfad erfolgreich erreicht worden sind, wurde kontrovers erörtert. Damit der Pfad eingehalten werden kann, wird aber der Blick nach vorn entscheidend sein, und für die beiden Sektoren Mobilität und Gebäude (als CO2-Haupt-Emittent) weist Brandstetter auf zahlreiche Fördermöglichkeiten hin.

Es ging aber nicht nur um Zahlen, Fakten, Information, sondern auch um Kommunikation. Dass Fördermöglichkeiten an der “Basis” bekannt werden, dass bestehende Aktivitäten der Basis auch bei der „Leitung” ankommen, ist für eine erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie unverzichtbar. Wenn an dieser Stelle immer wieder auch Defizite beklagt werden, wird die Wichtigkeit solcher Vernetzungsrunden unterstrichen. Auch hier gibt es Optimierungsmöglichkeiten, auch hier gilt: Nachhaltigkeit im Werden und als Prozess.