| Dr. Heike Wagner | Internationales, Migration, Menschenrechte
Umweltdynamiken in Afrika

Krisen und innovative Lösungen

Obwohl die Länder südlich der Sahara in Afrika weniger als andere Regionen der Welt zum Klimawandel beitragen, sind sie doch von den Folgen des Umweltwandels besonders betroffen.

Die Weingartener Afrikagespräche zu „Umweltwandel in Afrika – Entwicklungsdynamiken und Herausforderungen“ konnten im Dezember 2020 pandemiebedingt nicht vor Ort stattfinden. Prof. Dr. Cyrus Samimi vom Institut für Afrikastudien der Universität Bayreuth sowie Prof. Dr. Fred Krüger vom Institut für Geographie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg gaben im Rahmen einer Abendveranstaltung online einen Einblick in das Thema, um Interesse zu wecken, sich mit der Thematik weiter zu beschäftigen und in der Hoffnung, dass die Tagung 2021 nachgeholt werden kann.

Der afrikanische Kontinent ist vielfältig von Umweltwandel betroffen. In den meisten Fällen sind es jedoch globale Zusammenhänge, die diese Prozesse verursachen und steuern. Während die Länder Afrikas südlich der Sahara nur marginal zu den globalen Umweltveränderungen beitragen, sind sie besonders davon betroffen: Die CO²-Emmissionen sind im Vergleich zum globalen Norden sehr gering, wodurch sie an der Verursachung der Erderwärmung nur geringen Anteil haben, aber deren Hauptlast mit tragen. Dabei geht es um ganz konkrete Auswirkungen wie die Zunahme und/oder Abnahme der Niederschläge und zum Beispiel die Veränderung der Starkregen mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Ernte, auf Überschwemmungen etc.

„Grüne" Projekte über die Köpfe der Menschen hinweg

Aber selbst „grüne“ Projekte wie die Kompensation der CO²-Emissionen durch Aufforstungen im südlichen Afrika, sogenannte REDD+-Projekte (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation, and the Role of Conservation, Sustainable Management of Forests and Enhancement of Forest Carbon Stocks in Developing Countries), kommen oft nicht den Menschen vor Ort zugute. Über Finanztransfers aus dem globalen Norden sollen Anreize für den Waldschutz geschaffen werden. Prof. Dr. Samimi von der Universität Bayreuth verdeutlichte an Praxisbeispielen, dass in den Projekten aber oft auch genau das Gegenteil bewirkt wird: Intakte Wälder werden beispielweise erst abgebrannt, um anschließend mit profitablen REDD+-Mitteln wieder aufgeforstet zu werden. Auch andere aus dem globalen Norden unterstützte Naturschutzprojekte, die die lokale Bevölkerung unmittelbar betreffen, bedenken die gesellschaftlichen Konsequenzen vor Ort oft nicht ausreichend mit und verursachen dadurch neue Probleme.

Die Coronakrise verschärft ihrerseits direkt und indirekt den Druck auf die Lebenswelten, die oft mit der Nutzung natürlicher Ressourcen zusammenhängen, beispielsweise bei der touristischen Nutzung in Nationalparks.

Urbane Landwirtschaft gegen Probleme der Megastädte

Neben dem Klimawandel stellt die rasante Verstädterung mit ihrer gravierenden Umweltveränderung afrikanische Gesellschaften vor immense Herausforderungen. Allgemein gilt: Die Menschen im subsaharischen Afrika begegnen den komplexen Problemen an der Schnittstelle zwischen kritischen Umweltveränderungen und alltäglicher Lebenshaltung mit sehr innovativen Lösungen. Es ist daher wichtig, nicht bei einer Erzählung des Scheiterns und den Problematiken oder Herausforderungen einseitig stehen zu bleiben, sondern auch das hohe Maß an Resilienz und Kreativität der Menschen vor Ort zu sehen: Afrikanische Gesellschaften verfügen über große Fähigkeiten, mit akuten Umbrüchen umzugehen und kreative Anpassungsstrategien zu entwickeln  – ein Aspekt, der bisher viel zu wenig Beachtung findet.

Am Beispiel urbaner Landwirtschaft in Dar es Salaam (Tansania) zeigte Prof. Dr. Krüger von der Universität Nürnberg-Erlangen auf, wie unter den Bedingungen permanenter Unsicherheit durch bürgerschaftliches Engagement und kreative Lösungen Sicherheit hergestellt werden kann. In Dar es Salaam wurden zunächst informell auf einer freien Grünfläche Nahrungsmittel angebaut. Mit der Zeit änderte die Stadtverwaltung ihre zunächst restriktive Haltung und die bestehenden, widersprüchlichen Ordnungen zugunsten der urbanen Gärten. Transformation und Rekonfiguration sind daher möglich. Anhand verschiedener Beispiele wurde verdeutlicht, wie die Menschen in den Ländern südlich der Sahara ein sehr gutes Verständnis für Strategien und Handlungen haben und in der Lage sind, ihre Probleme zu lösen, wenn man sie nur ließe; sowohl von Seiten lokaler und nationaler Autoritäten als auch international betrachtet. Oft steht ein verzerrter Blick von außen der Transformation jedoch entgegen.

Externe Interventionen sind dabei nicht per se problematisch. Es ist aber wichtig, die Vielschichtigkeit und Komplexität der Situationen nicht zugunsten simpler Ansätze und Analysen aus dem Blick zu verlieren. Externe Interventionen und Autonomie dürfen dabei nicht einseitig gegeneinander ausgespielt werden. Es gilt, die Situationen differenziert zu betrachten mit einem Blick sowohl auf die Stressoren als auch auf die Lösungen, auf regionale, nationale und auf globale Dynamiken. Informellen Ansätzen kann dabei eine wichtige Rolle in der Adaptation und Mitigation der Umweltdynamiken zukommen.

Was können wir davon lernen? Lösungen auf die Umweltveränderungen und damit einhergehende Sicherheitsfragen können nur in Aushandlungsprozessen erfolgen. Das Beispiel der urbanen Landwirtschaft in Dar es Salaam zeigt dies sehr schön, auch, wie wir von der Aushandlungs- und Konsenskultur der Menschen vor Ort lernen können und wie sich zeigt, dass Stadtverwaltung und Bürgerschaft gemeinsam Lösungen suchen und jeweils sich auf einen Lern- und Transformationsprozess einlassen können. Die Menschen im subsaharischen Afrika haben zudem einen viel verständnisvolleren Umgang mit der Natur, den sie gerade auch in den Städten mit Modernität verknüpfen und auf diesem Hintergrund sogenannte „nature-based solutions“ entwickeln. Diese Potentiale und innovativen Lösungsstrategien gilt es zu sehen, zu beachten und davon zu lernen.

(Dr. Heike Wagner)

 

Moderiert wurde die Online-Veranstaltung von Dr. Heike Wagner.
Über Klimafolgen in Afrika sprach Prof. Dr. Cyrus Samimi von der Universität Bayreuth
Über Beispiele urbaner Landwirtschaft berichtete Prof. Dr. Fred Krüger von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.