| Interreligiöser Dialog
Religionen vor Ort

„Macht euch mal flauschig“

Hussein Hamdan, Islamberater für Gemeinden im Land, fasst seine Erfahrung in einem Buch und in einem SWR-Interview zusammen. Beim Dialog verlangt er, harte Brocken nicht auszusparen.

Von Paul Kreiner

Beim Bau von Moscheen, sagt Hussein Hamdan, „sollte man die Kirche im Dorf lassen.“ Ihm ist bei der Diskussion um Islam und Muslime in Deutschland „zu viel Aufgeregtheit“ im Spiel. Seine Empfehlung deshalb – an alle, auch an die Moscheegemeinden: „Macht euch alle zusammen mal locker, macht euch ein bisschen flauschiger.“

Seit acht Jahren ist der in Tübingen promovierte Islam- und Religionswissenschaftler Hussein Hamdan in Baden-Württemberg unterwegs als Dienstleister für Städte und Gemeinden. Er berät sie im Umgang mit den teils sehr konfliktträchtigen Fragen, wie sie vor Ort mit „dem“ Islam umgehen sollen: Wie groß darf eine Moschee sein? Wie hoch das Minarett? Wie lässt sich – bei zunehmendem Bedarf – ein islam-konformer Friedhof gestalten? Soll der Gebetsruf des Muezzin in den öffentlichen Raum dringen? Und – in erster Linie: Wie umgehen mit den verschiedenen und sich auch noch weiter ausdifferenzierenden islamischen Gruppierungen? Welche von diesen sind vertrauenswürdig und als Gesprächspartner verlässlich?

Hussein Hamdan arbeitet seit elf Jahren, damals als erster Muslim auf ausdrücklichen Wunsch von Bischof Gebhard Fürst eingestellt, als Fachbereichsleiter an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Deren Motto „Gesellschaft gemeinsam gestalten“ ist als Motto auch auf die von Hamdan geleitete Islam-Beratung in Baden-Württemberg übergegangen, welche in Zusammenarbeit mit der Verwaltungshochschule Kehl und der Robert-Bosch-Stiftung stattfindet. 225 Beratungen haben seit 2015 stattgefunden. Nun hat Hamdan seine Erfahrungen als Buch zusammengefasst und an der Akademie vorgestellt. Mehr als hundert Gäste kamen: Weggefährten, Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, Kommunen, Sicherheitsbehörden, Religionen und Migrantenvereinen.

Hamdan skizzierte dabei auch seine Vorstellungen von einem „Dialog auf Augenhöhe“. Fairness verlangt er von allen Seiten – etwa Einsicht bei islamischen Gemeinden, dass sie „Reizthemen“ ansprechen und zum Beispiel beim Bau so mancher Moschee „vielleicht ihre Ansprüche bescheidener formulieren“ sollten: „Vielen Menschen in Deutschland geht die Entwicklung zu schnell.“ Und: „Nicht jeder Kritiker, nicht jeder, der nachfragt, muss gleich in die rechte Ecke gestellt werden.“

Mit am häufigsten, so Hamdan, werde er gefragt, warum Muslime in Deutschland Moscheen bauen dürften, während den Christen der Bau von Kirchen beispielsweise in Saudi-Arabien verboten sei. Er halte die Frage, sagt er, für „sehr problematisch“. Ihr liege ein eingeschränktes Verständnis von Religionsfreiheit für Muslime zugrunde: „Sie werden in Haftung genommen für etwas, was in nichtdemokratischen Ländern passiert. Aber mit welchen Ländern wollen wir uns messen? Mit Saudi-Arabien?“

In den Verwaltungsspitzen sähe Hamdan es gerne, wenn sie sich – trotz immer wieder kritisierter  Kommunikationsprobleme auf der anderen Seite – mit den ganz konkreten Muslimen in ihren Kommunen beschäftigen und nicht immer gleich große ausländische Einflüsse zum Thema machen würden: So kämen bei seinen Gesprächen über die Ditib, jenem islamisch-sunnitischen Religionsverein, der dem türkischen Präsidenten direkt unterstellt ist, „nach dem vierten oder fünften Satz immer sofort Erdogan ins Spiel.“ Selbst Ditib-Gemeinden, so Hamdan, hätten „Anrecht auf einen differenzierten Umgang mit ihnen“ – wie umgekehrt „wir alle unsere Fragen an Ditib haben; wir haben auch Anrecht auf einen fairen Umgang mit uns, das ist ein Geben und Nehmen.“

Überhaupt sieht es Hussein Hamdan als Aufgabe und Kennzeichen eines echten Dialogs an, dass dieser auch „harte Brocken“ angeht: „Es war nie mein Anspruch, dass ich mit allen Menschen gut Freund sein muss.“ Und: „Dialog ist nur Dialog, wenn er auch mal wehtun kann und sich nicht nur an der Oberfläche bewegt.“ In einzelnen Fällen, wenn im Umgang gar nichts mehr ging, habe er Gemeinden auch eine „Dialogpause“ empfohlen. Wichtig sei aber auch: „Man muss durch eigenes Auftreten Vertrauen schaffen, Fachwissen allein reicht nicht.“

Die Islamberatung Baden-Württemberg, sagt Hamdan, wolle Städten und Gemeinden in ihren teils langen „Aushandlungsprozessen“ mit den Moscheevereinen „keine fertigen Lösungen bieten, sondern Handlungsempfehlungen formulieren.“ Die Gemeinden müssten dann aufgrund der örtlichen Situation selbst entscheiden: „Es muss nicht mir gefallen, was sie umsetzen.“

Handlungsempfehlungen, persönliche Erfahrungen und grundsätzliche Infos zum Islam hat Hamdan nun auch in seinem Buch zusammengetragen. Es trägt den Titel „Als Islamberater unterwegs durch Baden-Württemberg“, hat 166 Seiten, kostet 20 Euro und ist beim Matthias-Grünewald-Verlag erschienen.

Und: kürzlich hat Hamdan seine Arbeit auch in Hörfunk-Interviews beim SWR und bei der Deutschen Welle  vorgestellt.

Von seinen Weggefährt:innen bekam Hussein Hamdan eine Torte geschenkt - mit dem Buch-Cover in Zuckerguss obendrauf. Ihre erste (und wohl einzige) Auflage war bemerkenswert schnell vergriffen.
Dr. Hussein Hamdan bei der Vorstellung seines Buchs in Stuttgart-Hohenheim
Das Buch