| Dr. Hussein Hamdan | Interreligiöser Dialog
Islamberatung

Musliminnen fordern mehr Gehör

Die Jahrestagung der Islamberatung beleuchtet die Rolle der Frauen in Islamgemeinden und schaut dabei auch auf die gesamte Gesellschaft. Ist der Blick auf Musliminnen zu eingeschränkt?

Von Tim Florian Siegmund

Texte und Veranstaltungen zu muslimischen Frauen und ihrer angeblichen Rolle sind zahlreich und prägen entscheidend das Bild in der Gesellschaft. Zugleich nehmen sie ihnen die Möglichkeit, für sich selbst zu sprechen. Um genau dafür einen Raum zu schaffen, widmete sich das Projekt Islamberatung an der Akademie in seiner diesjährigen Jahrestagung am 16. November dem Thema „Die Rolle der Frauen in Islamgemeinden“ und lud eine Vielzahl muslimischer Frauen ein, selbst zu Wort zu kommen.

Welche Rolle nehmen Frauen in Islamgemeinden ein? Wie sind sie dort eingebunden? Wo und wie engagieren sie sich? Bevor sich die Tagung diesen Fragen zuwendete, beleuchtete sie jedoch eine andere: Wie wird über muslimische Frauen diskutiert und was macht dies mit ihnen? Denn eines wurde während der Tagung immer wieder deutlich: Die gesellschaftlichen Diskurse rund um muslimische Frauen, nicht zuletzt vermittelt durch die Medien, beeinflussen das Engagement von Musliminnen in Deutschland und damit auch die Rolle, die sie einnehmen können, ebenso wie die Strukturen, die sie in den muslimischen Verbänden vorfinden.

Einengende Zuschreibungen

So galt es diese Diskurse zu Beginn auszuleuchten und der Frage nachzugehen, wie es dazu kommt, dass muslimische Frauen vielfach als unterdrückt wahrgenommen werden. Dies übernahm mit ihrem Vortrag Simone Trägner-Uygun vom Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Tübingen und zeigte auf, wie dies es Musliminnen erschwert, selbst zu Wort zu kommen. Sie schloss mit dem Vorschlag, dass wir alle etwas leiser sein sollten, damit muslimische Frauen lauter sein können.

Initiativen, die dies versuchen, fanden sich auf einem ersten Podium wieder, das vertiefte, wie sich die öffentlichen Diskussionen über sie auf muslimische Frauen auswirken. Yasemin Soylu von der Muslimischen Akademie Heidelberg betonte, dass muslimische Frauen bereits in vielen Teilen der Gesellschaft präsent sind, dort aber selten wahrgenommen würden, sondern ihre Stimmen oft nur Gehör fänden, wenn es um das Thema Islam geht, nicht aber zu einer Breite von Themen, zu denen sie ebenfalls etwas zu sagen hätten. Diese einengenden Zuschreibungen von außen gelte es zu überwinden.

Power und Engagement

Ein erfolgreiches Beispiel dafür stellte Aysun Pekal vom Sozialdienst muslimischer Frauen Frauen (SmF) vor, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Strukturen aufzubauen, die Platz bieten für muslimische Frauen in ihrer Vielfältigkeit. Innerhalb kurzer Zeit wuchs der SmF auf 800 Ehrenamtliche an, die sich sozial engagieren. Danijel Cubelic, Leiter des Amtes für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg, ging darauf ein, wie Musliminnen von Seiten der kommunalen Verwaltung gestärkt werden können, und wies für sein Amt auf die großes Bedeutung intersektionaler Arbeit hin. Da er bei muslimischen Frauen bereits sehr viel Power sieht, gehe es weniger darum sie zu empowern, sondern vielmehr dagegen vorzugehen, dass ihnen diese Power wieder genommen werde.

Mit Ulrich Pick aus der SWR-Redaktion Religion und Gesellschaft wurde das Podium um einen Blick auf die Medien erweitert. Er hinterfragte, ob es in der Gesellschaft überhaupt den einen Diskurs über Musliminnen gebe. Außerdem berichtete er über die Schwierigkeit, geeignete Ansprechpersonen zu finden, die Redaktionen nicht selten haben, wenn sie versuchen, Stimmen von Musliminnen in ihrer gesamten Bandbreite abzubilden.

Wenig Gleichberechtigung in Moscheen

Als Architektinnen ihrer Gemeinden und des Islam bezeichnete Derya Şahan von der Fachstelle Extremismusdistanzierung (FEX) am Demokratiezentrum Baden-Württemberg Musliminnen. Dieser selbstbewusste Anspruch könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich muslimische Frauen ihren Platz in Moscheegemeinden immer wieder erkämpfen müssen. Denn in der Realität sei Gleichberechtigung in vielen Moscheen noch weit entfernt. Hoffnung machen Şahan aber die zahlreichen neuen Netzwerke und Initiativen, die in den letzten Jahren entstanden sind und nicht zuletzt zu einer Professionalisierung beigetragen haben.

Das abschließende Podium bot Vertreterinnen großer Islamverbände zudem die Möglichkeit, die dortige Frauenarbeit vorzustellen. So präsentierten Nese Yilmaz von der IGMG, Sümeyye Türkaslan von der DİTİB und Dure-Samin Malik von der Ahmadiyya Muslim Jamaat Strukturen und Alltag in ihren jeweiligen Organisationen.

Manchmal fehlt das Selbstbewusstsein

Aber auch strittige Fragen wie die der Geschlechtertrennung in den Gemeinden kamen zur Sprache. Claus Preißler, Integrationsbeauftragter der Stadt Mannheim, wünschte sich vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen von den Frauenabteilungen islamischer Verbände ein selbstbewussteres und sichtbareres Auftreten nach außen hin und hält eine Öffnung der Moscheegemeinden für unumgänglich, um in Zukunft bestehen zu können.

Wie Dr. Hussein Hamdan, Leiter des Projekts Islamberatung, zu Beginn der Tagung gemeinsam mit Prof. Dr. Andreas Pattar vom Kooperationspartner der Hochschule für öffentliche Verwaltung in einem Bericht deutlich machte, kamen Fragen zur Einbindung muslimischer Frauen auch in der Beratungspraxis des Projekts regelmäßig vor. Um die darin vermittelte Expertise auch weiterhin anbieten zu können, hofften sie auf eine längerfristige Förderung der Islamberatung durch die Landesregierung. Denn die bisherige durch die Robert Bosch Stiftung läuft im Januar 2022 aus. Dass der Bedarf dafür weiterhin groß ist, hob auch Volker Nüske von der Stiftung hervor und dankte Hamdan für die bereichernde Zusammenarbeit der vergangenen sieben Jahre.