| Interreligiöser Dialog
Der Islam in deutschen Medien

Muslimische Vielfalt darstellen

Das Bild, das Medien vom Islam und Muslim:innen zeichnen, fällt überwiegend negativ aus. Sehen auch Journalist:innen darin eine ungerechte Darstellung? Wie gehen sie mit dem Thema Islam um?

Von Tuba Rahmann

Dass das vom Islam und Muslim:innen in den Medien gezeichnete Bild einseitig und überwiegend negativ ausfällt, wird schon länger bemängelt, nicht nur von Muslim:innen. Doch wie dramatisch ist die Lage tatsächlich? Sehen auch Journalist:innen eine ungerechte Darstellung? Wie gehen sie mit dem Thema Islam um? Und wie lässt sich eine Berichterstattung erreichen, die die bestehende muslimische Vielfalt angemessen abbildet?

Zu diesen und weiteren Fragen tauschten sich am 21. September 2023 bei der Abendveranstaltung „Islam und Muslim:innen in deutschen Medien“ drei Personen aus, die sich in verschiedenen Positionen mit dem Medienbetrieb befassen und durchaus unterschiedliche Standpunkte einbrachten. Ulrich Pick, Redakteur in der SWR-Redaktion Religion, Migration und Gesellschaft, absolvierte in seiner journalistischen Karriere zahlreiche Stationen im In- und Ausland. Julia Ley engagiert sich neben ihrer Tätigkeit als Religionsreporterin (unter anderem bei BR, SWR und Deutschlandradio) für eine differenzierte Islamberichterstattung und hat das medienkritische Online-Journal BLIQ mitgegründet. Islamwissenschaftlerin Derya Şahan vertritt seit 2020 die Anliegen von Muslim:innen im SWR-Rundfunkrat. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Tim Florian Siegmund vom Fachbereich Muslime in Deutschland.

Den Einstieg in die Diskussion bildete der erste Bericht des vom Bundesinnenministerium einberufenen Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit (UEM). Dieser nahm auch die Berichterstattung zum Islam unter die Lupe und gibt den Medien eine Mitverantwortung für „Antimuslimischen Rassismus“. Hinsichtlich dieses Ausdrucks aber gingen die Meinungen gleich zu Beginn des Abends auseinander. Pick argumentierte, der Begriff sei missverständlich und dränge unter anderem den multiethnischen Charakter des Islams in den Hintergrund. Außerdem könnte die noch ungenaue Definition zu Missbrauch führen. Şahan und Ley betonten hingegen seine Relevanz, da der Begriff die von außen vorgenommene Rassifizierung von Muslim:innen sowie derjenigen, die als muslimisch gelesen werden, thematisiere.

Fehlendes Basiswissen in Gesellschaft und Medien

Der UEM-Bericht bemängelt, die Mehrheit der Journalist:innen habe keinen Zugang zu Muslim:innen. Des Weiteren werde die negative Berichterstattung aber nicht nur durch mangelnde Sensibilität und fehlendes gesellschaftliches Basiswissen über die Unterschiede zwischen kulturellen und religiösen Angelegenheiten salonfähig gemacht, sondern auch aktiv durch die Einstellung der Medienmacher:innen befördert, von der Führungsetage bis hin zu Journalist:innen und Redaktionen. Dort würden Muslimfeindlichkeit und rechte Diskursverschiebung akzeptiert; tendenziell gingen diese Meinungen innerhalb der Medienbranche aber durchaus auch auf mangelndes Basiswissen zurück. 

Wie blicken umgekehrt nun Muslim:innen auf die Medien? Die meisten Muslim:innen, so Şahan, fühlten sich so von den öffentlich-rechtlichen Medien nicht repräsentiert oder angesprochen. Dazu hätten vor allem die langanhaltende negative Berichterstattung sowie eine unpassende Bildauswahl beigetragen.  In der Folge lasse sich eine negative und vorurteilbehaftete Meinung in der Gesellschaft nachweisen, die dazu beitrage, dass Muslim:innen immer häufiger, auch online, Opfer von Hass- und Hetzbotschaften würden. Interessanterweise würden Muslim:innen erst seit Kurzem als Konsument:innen wahrgenommen. Deshalb wird auch der Wunsch nach Berichterstattung und Repräsentation der muslimischen Vielfalt lauter.

Die Journalistin Ley stimmte vielen der im UEM-Bericht erwähnten Kritikpunkte an den Medien aufgrund ihrer eigenen Erfahrung zu. Şahan begrüßte den UEM-Bericht, da die Beobachtungen  von Muslim:innen nun schriftlich festgehalten und somit nachzuweisen seien.

Fehlende Genauigkeit in den Begriffen

Kritischer blickte Pick auf den für ihn noch einseitigen Diskurs. Es gebe noch viele Themen, die nicht nur beleuchtet, sondern auch hinterfragt werden müssten. Auch der UEM-Bericht hält seiner Meinung nach sensible Themen viel zu ungenau fest. Ley und Şahan betonten in der Diskussion, wie wichtig es sei, qualifizierte Expert:innen in die Berichterstattung einzubeziehen, um eine sensiblere Herangehensweise zu gewährleisten. Auch wurde der Wunsch geäußert, in der journalistischen Ausbildung und danach Basiswissen über den Islam zu vermitteln. Dadurch könne man fehlerhafte Berichterstattung zum größten Teil vermeiden. Ley merkte an, Religionsredaktionen arbeiteten sensibler und fachspezifischer, würden aber von anderen Fachbereichen nicht immer zu Rate gezogen. Daher sollten sich Journalist:innen sowie Redaktionen den Einfluss ihrer Arbeit auf die Bevölkerung bewusst machen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Auch Pick betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen muslimischen Akteur:innen und Redaktionen, um vor allem auf Fehler hinzuweisen, die seitens Journalist:innen auftreten können. Erst dadurch könne man sich auf einen vertrauensvollen und nachhaltigen Austausch einlassen.

Ley betonte, die öffentlich-rechtlichen Medien lernten gerade im Hinblick auf die Sozialen Medien, sich ihrer jeweiligen Zielgruppe anzupassen und, Themen sensibler anzusprechen. Auch seien in den öffentlich-rechtlichen Sendern mittlerweile Formate für Muslim:innen vorhanden, die aber noch keine große Reichweite innerhalb der Bevölkerung genießen. Des Weiteren merkte sie an, dass trotz der negativen Tendenz in der Berichterstattung über Muslim:innen und Islam eine Gegenöffentlichkeit qualifizierter Muslim:innen wahrzunehmen sei – gerade bei Instagram –, auf die sie selbst als Journalistin gerne zurückgreife. Ley sieht darin eine Möglichkeit, die Vielfältigkeit der muslimischen Community in Deutschland wahrzunehmen und mit ihr in Kontakt zu treten. Die Präsenz in den Sozialen Medien ermögliche es Muslim:innen, mit ihren vielfältigen Interessen und Expertisen einem homogenisierten Islambild sowie Vorurteilen aktivistisch und zivilgesellschaftlich entgegenzuwirken.

Fehlende Professionalität

Der Austausch verdeutlichte die Wichtigkeit, eine vielfältige, sensible und ausgewogene Berichterstattung zu gewährleisten. Die Repräsentation von Muslim:innen in den Medien und ihre Sichtbarkeit als aktiver Teil der Gesellschaft wurden als entscheidend betrachtet. Bislang jedoch erzeuge die getroffene Bildauswahl bei der Berichterstattung zum Islam, so Şahan, noch viel zu oft Assoziationen mit negativen und überfordernden gesellschaftlichen Herausforderungen. Hier gebe es Änderungsbedarf. Außerdem wurden Medienmacher:innen dazu angeregt, Formate zu produzieren, die Integration, Inklusion und Demokratieverständnis in der Gesellschaft fördern und keine Stereotype reproduzieren.

Neben der Fort- und Weiterbildung von Medienmacher:innen wurden auch muslimische Verbände thematisiert. Ley und Pick äußerten die Erfahrung, dass viele Muslim:innen und vor allem große Moscheeverbände oftmals nicht wüssten, wie sie wirksame Öffentlichkeits- und Pressearbeit betreiben können, und dass sie deshalb unprofessionell aufträten. Eine Stärkung der Medienkompetenz sei somit unerlässlich. Es mangele zudem oftmals an Ansprechpartner:innen und Strukturen sowie der Bereitschaft, an noch unbekannten Formaten teilzunehmen.

Was braucht es noch? Niedrigschwellige Angebote für Muslim:innen, Medienmacher:innen sowie muslimische Verbände, mehr Sensibilität für das Thema seitens der Medienmacher:innen, Respekt und Wertschätzung wurden als vielversprechende Wege identifiziert, das negativ behaftete Medienbild über Muslim:innen und den Islam nachhaltig zu verbessern. Medienmacher:innen wurden ermutigt, auf Muslim:innen zuzugehen, sensibel und differenziert zu berichten und aufgrund der Macht, die sie innehaben, ihrer Arbeit verantwortungsbewusst nachzugehen.

Die Rundfunkjournalistin Julia Ley
Derya Şahan, Tagungsleiter Tim Florian Siegmund und Ulrich Pick.
Zuhörer im Saal