| Dr. Heike Wagner | Internationales, Migration, Menschenrechte
15. Hohenheimer Theologinnen-Treffen

Tabu und Reset

Ein Tabu zum Thema zu machen – ist das nicht ein Widerspruch in sich? Das Theologinnentreffen befasste sich mit Tabuthemen sowie der Suche nach Strategien für einen Neustart.

Ein Veranstaltungsrückblick von Barbara Janz-Spaeth

Was ist ein Tabu? Kann man ein Tabu zum Thema machen, oder ist das schon ein Widerspruch in sich? Welche Rolle spielen Tabus, und wozu dient ihre Aufrechterhaltung? Wie bricht man ein Tabu? Wo trägt Theologie zu Tabuisierung bei? Und birgt sie auch Traditionen der Enttabuisierung?

Mit diesen Fragen haben sich fünfzig Teilnehmerinnen unter Leitung von Fana Schiefen und Barbara Janz-Spaeth beim Hohenheimer Theologinnentreffen auseinandergesetzt. Fröhliche Stimmung, Offenheit und ein Miteinander der Generationen prägten diese Tagung. Sie ermöglichten tiefgehende, vertraute Gespräche und Diskussionen, einen weiten Blick über das persönliche Planquadrat (s.u.) hinaus – und wiesen auf ein Leuchten am Horizont hin.

 

Arbeit mit Land- und Straßenkarten

Der Freitagabend war mit „No-go-Areas“ überschrieben und widmete sich diesen Fragen: Wie nähere ich mich Tabus an? Umkreise ich sie oder gehe ich direkt auf sie zu? Die Arbeit mit Land- und Straßenkarten, mit Stadtplänen und Seiten aus Atlanten markierte drei Punkte: Planquadrat, Horizont und Zwischenräume. Das Planquadrat, nützlich zur Standortbestimmung, benennt die eigene Verortung, bietet Sicherheit. Anders der Horizont in seiner Ambivalenz von Sehnsucht nach dem Besseren, nach dem Hinter-sich-lassen-Können der Begrenzungen und gleichzeitig mit der Angst vor dem Ungewissen, dem Fremden, dem Unbekannten. Als drittes die Zwischenräume: freies Feld, Berge und Täler, breite Straßen, schmale Steige, Umwege oder direkte Wege. Was bewegt mich, aufzubrechen? Literarische Texte, das konkrete Gestalten der Landkarten und die „Flügel des Morgenrots“ aus Ps 139 führten durch den Abend, dargeboten in Bildern und Texten von Gabi Erne, mit Impulsen von Esther Berg-Chan und Barbara Janz-Spaeth.

 

Themenfelder

Fana Schiefen und Barbara Janz-Spaeth führten am Samstagvormittag in die Themenfelder „Sexualität und Gewalt“(1), „Strukturelle Macht und Ohnmacht“(2),  „Angst und Glaubenszweifel“(3),  „Partizipation und Gleichberechtigung“(4) ein. Die Referentinnen Aurica Jax, Barbara Haslbeck, Anna Noweck (1), Ines Weber und Verena Suchhart-Kroll (2), Christine Büchner, Mirja Kutzer, Sr. Katharina Ganz (3), sowie Anna Riedl und Katharina Leniger (4) leiteten die Themengruppen. In den Kleingruppen ging es darum, welches Spektrum des jeweiligen Themas sich speziell unter theologischen Gesichtspunkten zeigt. Unterscheiden sich die theologische und die gesellschaftliche Sichtweise auf die Tabus? Verstärkt oder entlarvt die Theologie Tabus? Wie werden Tabus legitimiert? Wozu dienen sie und wem?

 

Strategien des Resets und Werkzeuge für Perspektivwechsel

Ein Vortrag im Partnerinnengespräch von Teresa Schweighofer und Fana Schiefen entfaltete Strategien des Resets, indem zunächst auf positive und negative Seiten eines Tabus eingegangen wurde. Im zweiten Teil wurden Formen und Strategien von Tabuisierung, Enttabuisierung und Tabubruch beleuchtet, sowie Werkzeuge für Perspektivwechsel und Neustart aufgezeigt. Gedächtnistheoretische Reflexionen auf Erinnern und Vergessen einerseits sowie praxistheoretische Ansätze des „doing“, „undoing“ oder „not doing at all“ andererseits boten Anregungen für kontroverse Diskussionen. Die Teilnehmerinnen vertieften anhand von Fragen die Impulse des Vortrags und tauschten sich über die Rolle von Religionen, deren Traditionen, Ressourcen und Potenzialen im Umgang mit Tabuthemen und Tabubrüchen aus. 

Am Sonntagmorgen wurden dann in den Gruppen diese und weitere Reset-Strategien konkretisiert und das eigene Handeln und Denken sowie persönliche Zielsetzungen und Strategien reflektiert.

Die Abschlussrunde diente dazu, die vielfältigen inhaltlichen Aspekte zu fokussieren, verbindende Linien zwischen den Themengruppen zu erkennen und als gemeinsame Orte zu benennen. Daraus leitete sich ab, welche Themen zu einer zukünftigen Weiterbeschäftigung einladen und herausfordern. Die von Simone Birkel, Katharina Leniger, Frederike Kukula und Mirja Kutzer gestaltete Liturgie war ein gelungener Abschluss der Tagung.