Künstliche Intelligenz

Fragen, Hoffnungen, Ängste

Künstliche Intelligenz drängt in alle Bereiche des Lebens vor. Haben Ethik und Religion bei Weiterentwicklung und Anwendung etwas zu sagen?

Von Dr. Christian Ströbele

„Zwischen Algorithmus und Ethos – Herausforderung KI." Die Veranstaltung stellte eines der aktuell gesellschaftlich drängendsten Themen in den Mittelpunkt: Künstliche Intelligenz (KI) und die Frage, welche Rolle Religion und Ethik im Kontext ihrer Anwendung und Weiterentwicklung spielen sollten. An der Veranstaltung nahmen in Tübingen rund 85 Personen teil.

Rebecca Beiter, Director Communications and Society bei der Cyber Valley GmbH in Tübingen, sprach über die verantwortliche KI-Entwicklung im Dialog und betonte die Notwendigkeit eines Gesprächs zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit, um die ethischen Folgen von KI besser einzuschätzen. Beiter stellte die Frage, was denn eine „verantwortliche KI“ sei und gab Beispiele, die das „Bauchgefühl“ des Publikums anregen sollten. Sie plädierte dafür, dass diejenigen, die KI entwickeln und einsetzen wollen, selbst reflektieren müssen, was ethisch vertretbar ist. Hierfür brauche es einen aktiven Dialog unter Beteiligung der Öffentlichkeit.

Auf dem Weg zu einer Technoreligion?

Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi, Leiter der Forschungsstelle für Theologie der Künstlichen Intelligenz am Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster, diskutierte anschließend die sich mit Technikvisionen verknüpfende Idee eines „grenzenlosen“ Menschseins. Er führte aus, dass nicht wenige auf die KI gerichtete Hoffnungen von religiösen Ideen wie dem Wunsch nach Unsterblichkeit durchdrungen seien, womit eine Art „Technoreligion“ entstehe, die Erlösung und Heil verspreche. Dagegen setzte Karimi die menschliche Fehlbarkeit und Widersprüchlichkeit als etwas Wertvolles, das durch das Streben nach machbarer Perfektion gefährdet werde. Er sprach sich für ein Menschenbild aus, das die Würde des schwachen, fehlbaren Menschen betont, statt eine perfektionierte „glatte“ Welt anzustreben.

Prof. Dr. Peter Kirchschläger, Professor für Theologische Ethik an der Universität Luzern, führte ethische Überlegungen zum Einsatz von KI und deren Regulierung aus. Er stellte zunächst den Begriff der „Künstlichen Intelligenz“ infrage, da KI-Systeme zwar in Teilbereichen des Kognitiven den Menschen überragen könnten, keineswegs aber echte Intelligenz im Sinne von emotionaler, sozialer und moralischer Intelligenz besitzen. Kirchschläger sprach sich dafür aus, stattdessen von „datenbasierten Systemen“ zu sprechen. Er wies auf aktuelle massive Verletzungen von Menschenrechten im Bereich von KI und Daten hin, etwa bei Datenschutz, Privatsphäre und psychischer Gesundheit. Als Lösungsansätze plädierte er für „menschenrechtsbasierte datenbasierte Systeme“ und eine internationale Agentur, die ähnlich wie im Bereich der Atom­energie die Markt- und Zulassungsprozesse kontrollieren soll. Kirchschläger sah eine wichtige Rolle der Theologie und Religionsgemeinschaften darin, sich an der ethischen Diskussion zu beteiligen und Menschen im Umgang mit der Ungewissheit durch KI zu begleiten.

Und wie steht es um die Menschenwürde?

In der anschließenden Diskussion wurde u. a. über Möglichkeiten eines Dialogs angesichts der Machtkonzentration großer Techkonzerne diskutiert. Beiter sah die Aufgabe darin, durch Förderung europäischer Start-ups und KI-Unternehmen selbst mitzugestalten und nicht fremdbestimmt zu werden. Kirchschläger sah angesichts der Marktmacht der großen Konzerne aber wenig Chancen, technologisch aufzuholen und plädierte umso mehr für eine internationale Regulierung. Karimi mahnte eine neue Bildung und Pädagogik an, die zu einer kritischen und entschleunigten Auseinandersetzung mit KI-Medien befähigt.

Zu dieser Veranstaltung kooperierten die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Stiftung Weltethos sowie die Co-Working Group GmbH. Ein Ergebnis der Diskussion war, dass die Fragen, die mit der Entwicklung und dem Einsatz von KI zusammenhängen, in allen Gesellschaftsbereichen diskutiert werden sollten. Theologie und Religion könnten dabei wichtige Beiträge leisten, indem sie etwa für die Wahrung der Menschenwürde eintreten, zu einem kritischen und reflektierten Umgang mit KI anregen und dem Streben nach technologischer Perfektion die Einsicht in den Wert menschlicher Fehlbarkeit entgegensetzen. Der Dialog sollte dabei, so ein Plädoyer aus der Diskussion, sowohl zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit als auch zwischen den verschiedenen Religionen und Weltanschauungen geführt werden.