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Interdisziplinäre Hexenforschung

War's der Dämon und nicht die Frau?

Eine große, internationale Tagung des Arbeitskreises für Interdisziplinäre Hexenforschung beleuchtet das düstere Phänomen der Dämonologie.

Von Dominic Scheim

Die Runde war sehr international: Vom 22. bis zum 25. Februar 2022 fanden sich Forscherinnen und Forscher sowie interessierte Laien aus Deutschland, Argentinien, Ungarn, Schottland, Dänemark, Österreich und der Schweiz zusammen, um gemeinsam unter dem Titel „Demonology revisited. Dämonologie in interdisziplinärer Perspektive“ neue Forschungsarbeiten und Ansätze zu diskutieren. In deutscher und englischer Sprache sollten in diesem Jahr die frühneuzeitliche Lehre von den Dämonen und deren Wechselwirkungen im Mittelpunkt stehen. Dank des interdisziplinären Ansatzes wurde Dämonologie nicht nur aus der Warte der Geschichtswissenschaften, sondern auch aus der Theologie, der Soziologie, der Rechtswissenschaften und der Literaturwissenschaft betrachtet.

Besonders eng war die Verknüpfung der Dämonologie mit Hexereiverfahren, wie Johannes Dillinger zeigen konnte. Anhand von Gerichtsakten zeichnet er eine Begründungsstrategie nach, mit der bestimmten Dämonen und nicht der angeklagten „Hexe“ die Schuld angelastet wurde. So tauchen Dämonen in Geständnissen von angeblichen Hexen entweder in Form eines Retters in einer Notsituation, eines gewalttätigen Ehemannes oder eines bedrohlichen Besuchers auf. In allein drei Fällen sei die Frau gezwungen worden, Schadenszauber auszuführen oder sich auf anderen Wegen gegen ihre Mitmenschen zu wenden. Die Dämonologie diente hier also dazu, die individuelle Schuld der Frau zu verringern und sie als „erstes Opfer“ darzustellen. Die Verhängung der Todesstrafe gegen die geständige Angeklagte reagierte damit nicht auf die Hexentätigkeit an sich, sondern auf deviante Handlungen, die die Frau überhaupt erst in die Abhängigkeit des Dämons trieben.

Auch der Zusammenhang zwischen Alter und Geschlecht in der frühneuzeitlichen Dämonologie wurde genauer betrachtet. Claudia Opitz-Belakhal stellte dabei fest, dass das Wesen der Hexe eng mit der Körpersäftelehre zu tun habe. Die von der „schwarzen Galle“ ausgelöste Melancholie führe demnach zur Einbildung eines Dämons. Aber auch die gegenteilige Ansicht, dass die Frau ganz bewusst einen Pakt mit einem echten Dämon aus Gier, Wollust und Dummheit eingehe, war  verbreitet. Insbesondere war es das hohe Alter, das einen Hexereiverdacht oftmals befeuerte. Dahinter stand neben dem demographischen Wandel im Zuge des Dreißigjährigen Krieges und der sozialen Benachteiligung von Witwen auch der spätmittelalterliche Topos des „alten Kupplerin“ und der „vetula“, einer boshaften und vertrockneten alten Frau. Auch physiologische Ursachen wie Demenz oder Schwerhörigkeit könnten den Verdacht der Hexerei in der Gesellschaft untermauert haben. Dass es jedoch vor allem ältere Frauen traf, ist nicht allein aus dem Kontext der Frühen Neuzeit zu erklären, da sich die Argumente dieser Zeit aus dem Spätmittelalter speisten. Somit ist auch die Dämonologie der Frühen Neuzeit an das Mittelalter rückgebunden.

Einen neuen Blickwinkel konnte Thea Sumalvico mit ihrer Betrachtung des lutherischen Taufexorzismus liefern. So schilderte sie, dass es dort vor allem im 18. Jahrhundert Bestrebungen gab, den bisher verwendeten, aus der katholischen Kirche stammenden  Taufexorzismus zu streichen oder durch ein Gebet zu ersetzen. Hintergrund dieser Entwicklung war, dass der Taufexorzismus gegenüber anderen protestantischen Gruppen nun nicht mehr wie einst als Abgrenzungsmerkmal fungierte und allgemein auch die konstitutive Wirkung eines Exorzismus verneint wurde. Bemerkenswert ist jedoch Sumalvicos Hinweis auf die Argumentation in der sogenannten Besessenheits- oder Teufelsdebatte. Dort wird der Teufel zu etwas Abergläubischem erklärt und ist deswegen etwas Unvernünftiges. Aberglaube und Unvernunft werden im gleichen Zug aber auch mit dem Judentum und den Altgläubigen gleichgesetzt. Im Rückgriff auf das Judentum und die katholische Kirche erscheint die Abschaffung des Taufexorzismus folglich nicht mehr nur als Sieg eines rationalen Denkens, sondern auch als antijudaistische Aktion.

Dass Dämonologie transepochal angelegt ist, zeigten auch Silvie Lang und Vanessa-Nadine Sternath in ihrem Referat über Dämonenkataloge. Indem sie ein mittelalterliches Buch über Naturwissen sowie ein Sagenbuch aus dem 19. Jahrhundert miteinander verglichen, konnten sie beweisen, dass es innerhalb der Dämonenkataloge seit dem Mittelalter Kontinuitäten gab. Mitunter wurde gar auf die Antike und tradiertes Volkswissen zurückgegriffen. Bemerkenswert ist auch der Realitätsbegriff, der den Katalogen zugrunde lag. Dieser unterschied sich vom heutigen Verständnis für Realität vor allem dadurch, dass er sich aus einer Bibelexegese herleitete, die nicht zwischen Phantasmen und realem Existieren unterschied. Dämonenkatalogen finden sich – nun rein fiktiv angelegt – auch noch heute in der Unterhaltungsliteratur. Ein Beispiel hierfür sei J. K. Rowlings „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“.

Die nächste internationale Tagung des Arbeitskreises für Interdisziplinäre Hexenforschung (AKIH) wird zwischen dem 22. und 24. Februar 2024 im Tagungshaus Weingarten unter dem Titel „Dummer Teufel – komische Hexe“ stattfinden und sich epochenübergreifend dem Themenfeld der Satire und des Humors annähern.