| Dr. Thomas König | Teilhabe und Soziales
Online-Veranstaltungsreihe

Väterbilder und Vater sein

In einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe ist individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Bedingungen für gelingende Vaterbeziehungen nachgeforscht worden.

Mit Einblicken in die Väterforschung startete die Online-Reihe VÄTER-BW im Januar und Februar dieses Jahr. Das Interesse der Teilnehmenden war groß, bis zu 80 Männer und Frauen nahmen an den drei Abenden teil. Für die Veranstaltungsreihe hatten sich gleich mehrere Akteure auf dem Feld der Männerarbeit zusammengefunden: Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft der Familien-Bildungsstätten in Württemberg, der Fachbereich Männer der Hauptabteilung Kirche und Gesellschaft der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Volkhochschulverband Baden-Württemberg, das Kompetenzzentrum Jungen- und Männergesundheit Baden-Württemberg und die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

„Väterbilder und Vatersein in Geschichte und Gegenwart“ – Zur Einführung in die Reihe gibt Prof. Dr. Andreas Eickhorst Einblicke in die Väterforschung und zeigt auf, wie sich das Bild von Vätern in der Gesellschaft gewandelt hat und weiter verändert. Eickhorst lehrt psychologische Grundlagen Sozialer Arbeit an der Hochschule Hannover, mit den Arbeitsschwerpunkten Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie, Systemische Familienpsychologie, Frühe Hilfen und Väterforschung. Im Interview antwortete er auf die Fragen von Thomas König.

Herr Prof. Eickhorst, wie reagieren Männer auf die Geburt eines Kindes und wie kommen Sie mit der Situation zurecht, nun Vater zu sein?

Natürlich ist es individuell sehr unterschiedlich, mit welchen Emotionen etc. Männer auf die Geburt ihres Kindes reagieren. Allerdings ist die Situation an sich, der Übergang zur Elternschaft mit allen seinen unterschiedlichen Facetten, für sie nicht weniger bedeutsam als für Frauen. Alles, was hier von Psychologen üblicherweise diskutiert wird, etwa dass dies eine Phase großen Umbruchs sei (manche sprechen von „normativer Krise“), die bewältigt werden müsse und dass diese Bewältigung leichter oder auch weniger leicht gelingen kann, gilt auch für Männer.
Im besten Falle bekommen auch die Männer hier genügend Unterstützung für sich und ihre Familie, so dass sie diese Herausforderung gut annehmen können. Die Gefahr einer Krisenreaktion, z.B. eines „Babyblues‘“ oder einer depressiven Symptomatik nach der Geburt, besteht aber auch für sie.

Können Väter ebenso für Ihr Kind sorgen wie Mütter dies können?

Ja, biologisch gesehen haben Väter prinzipiell die gleichen Kompetenzen, was den Umgang mit Kindern jeglichen Alters betrifft. Dies umfasst also Spielen und emotionale Bindung genauso wie pflegen, füttern, trösten und sonstige Formen von Kontakt. Sie bringen die Kinder natürlich nicht selber zur Welt und können auch nicht mit der Brust stillen – das sind aber auch schon die einzigen Einschränkungen. Wichtig ist, dass wir hier von Kompetenzen sprechen, nicht von Performanz. Wenn Väter und Mütter also in konkreten Fällen sich unterschiedlich verhalten, so sind dies individuelle bzw. familiäre Entscheidungen (die nicht immer rational gewählt sein bzw. als freiwillig empfunden werden müssen).

Wie haben sich Väterbilder im Laufe der Zeit gewandelt?

Es gibt aus dem Lauf der Jahrhunderte und aus vielen Kulturen viele Bilder von Väterrollen (Erzieher, Ernährer, Rollenvorbild, Pater familias, moralisches Oberhaupt, …), die auch heute und in unserer Gesellschaft, wo höchstens Anteile von ihnen noch weiterleben, in der einen oder anderen Weise in die Diskurse eingebracht werden: von der Wissenschaft, der Politik, den Medien oder auch Vätern und Müttern selbst. Hilfreich, um dem individuellen Vater gerecht zu werden, ist das in der Regel nicht, aber es hilft Familien natürlich, sich mit aktuellen Herausforderungen und Widersprüchen in den Elternrollen auseinanderzusetzen.

Neue Väter braucht das Land? Wie (können) Väter auf ihre Kinder wirken?

Der Typus des „neuen Vaters“ (gemeint ist ein aktiver, kindzentrierter, Emotionen zeigender sowie Gleichberechtigung lebender Vater) wird dabei viel diskutiert und lässt sich zumindest in Anteilen immer mehr auch finden. Gleichwohl dies zu vielen positiven Aspekten bei Kindern wie Eltern führt, ist bei den Männern auch eine Orientierung auf das Arbeitsleben (oder besser: der Wunsch, keinen Misserfolg im Beruf zu haben) weiterhin vorhanden. Dies führt zu einer Vereinbarkeitsproblematik auch bei Männern und geht nicht zuletzt auch zulasten einer väterlichen Selbstfürsorge.

Was braucht es, damit sich guten Bindungen zwischen Väter und Kindern entwickeln können?

Es braucht die Bereitschaft und emotionale Offenheit des Vaters, eine Nicht-Verhinderung durch das Umfeld sowie ein gewisses Quantum an Zeit, damit der Vater diese für z.B. feinfühliges Interaktionsverhalten mit seinem Kind nutzen kann. Die Qualität ist hier zwar wichtiger als die Quantität, allerdings sollte das Kind den Vater auch als relevante und verlässliche Person für sich wahrnehmen können, wozu eine gewisse Regelmäßigkeit der Interaktion unvermeidlich ist.

Wo ist ein guter Platz für Väter in Familien und wie gelingt Partnerschaft mit Kind?

Plätze und Rollen in der Familie sowie Modelle von Partnerschaft mit dem Kind sind viele denkbar (ich würde bei letzterer eher von „gelebter Väterlichkeit“ sprechen oder „väterlicher Beziehungsgestaltung“), insbesondere in der heutigen Zeit mit ihren zahlreich vorhandenen Familienmodellen. Einen besonders guten oder besten Platz gibt es hier nicht – wichtiger sind die vorhandenen Möglichkeiten, sich als Bindungsfigur aktiv einbringen zu können und weder durch sich selbst noch von anderen Personen als Vater marginalisiert zu werden.

Was wäre die wichtigste Eigenschaft, die ein Vater haben sollte?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Aus meiner Sicht können das keine spezifisch „väterlichen“ oder „männlichen“ Eigenschaften, sondern schlicht menschliche Charaktereigenschaften sein, die aus Menschen gute Eltern (unabhängig vom Geschlecht) machen. So etwas wie generelles Wohlwollen und Wertschätzung gehört für mich ganz sicher dazu.

Im weiteren Verlauf der online-Reihe VÄTER-BW ging es an den zwei weiteren Abenden um Fragen, wie sich Beruf und Familie für Väter vereinbaren lassen und welche gesundheitlichen Aspekte mit dem Vatersein verbunden sind. Karsten Kassner, Soziologe und Fachreferent beim Bundesforum Männer in Berlin, beschrieb Erfahrungen und Positionen hinsichtlich „Väter in Verantwortung“. Welche Veränderungen die Pandemiesituation für Väter und Familien mit sich brachte, zog sich als Thema durch alle drei Abende.

Prof. Dr. Johanna Possinger von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg gab am dritten Abend ihren Impuls zur gleichstellungsorientierten Väterpolitik in Baden-Württemberg. Sie beschäftigt sich mit Frauen- und Geschlechterfragen in der Sozialen Arbeit und im Vorfeld der Landtagswahl stellte sich die Frage, welche Rahmenbedingungen der vielfache Wunsch nach aktiver Vaterschaft braucht? Wie schlägt sich auch Politik für Väter in den Programmen zur Landtagswahl nieder und wie ist die Familien-, Gesundheits- und Gleichstellungspolitik im Land hinsichtlich Maßnahmen und Praxis aufgestellt? Nach Possingers Input folgte ein „väterpolitischer“ Austausch mit PolitikerInnen aus den Fraktionen im Landtag, die teilweise selbst mitwirken konnten oder auch eine Stellungnahme zu den Fragen abgegeben hatten.

Das Thema „Väter in Baden-Württemberg“ wird von den Veranstaltern auch nach Abschluss der Reihe weiter verfolgt werden. Das Interesse von Ministerien und LandespolitikerInnen konnte geweckt werden und weitere Gespräche zum Thema sind geplant.

(Thomas König)

 

 

Ein Vater mit seinem Kind: Nähe zu erleben genießen beide.
Prof. Dr. Andreas Eickhorst betont, wichtig für eine gelingende Vaterschaft sei emotionale Offenheit und Zeit.