| Kirche und Gesellschaft
Was tun mit leeren Klöstern?

Vernetzung, Vertrauen und Mut

Ein Symposium in Weingarten erörtert Herausforderungen und Chancen für die Kirchen bei gemeinwohlorientierter Orts- und Stadtentwicklung. Und man besucht ein Modellprojekt: Kloster Reute.

Von Markus Waggershauser, Diözese Rottenburg-Stuttgart

Wie sollen und wollen Menschen in Zukunft leben? Während viele eher resignieren, wenn sie an die anstehenden Herausforderungen bezüglich Klimaschutz, Pflegesituation und bezahlbarem Wohnraum denken, ging das Symposium „Gemeinschaft baut Zukunft“ im Tagungshaus der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Weingarten das Thema konstruktiv an. Mitglieder von Bauausschüssen in evangelischen und katholischen Gemeinden bis hin zu fachlich Zuständigen in der Diözesanleitung und im Oberkirchenrat tauschten sich aus mit Verantwortlichen und Fachleuten der Stadtplanung und der Architektur, der Quartiersentwicklung, der sorgenden Gemeinschaften und der Politik. Die etwa 80 Teilnehmenden kamen vorwiegend aus Baden-Württemberg, aber auch aus Leverkusen und Wien.

Bernd Hillebrand, Professor für Pastoraltheologie in Graz, sieht im Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 eine kopernikanische Wende. Die katholischen Bischöfe hätten damals erkannt: „Die Welt dreht sich nicht um die Kirche." Die Konzilstexte betonten, dass die Kirche einen Auftrag für alle Menschen habe, nicht nur für die Internen, erklärte Hillebrand, der aus Bad Waldsee stammt. „Wenn Kirche nur an ihre Mitglieder denkt, wird sie zur Sekte", gab er zu bedenken. Kirchen und Kommunen seien dabei wichtige Partner. „Es geht uns um die gleichen Menschen", unterstrich Christiane Dürr, Beraterin und ehemalige Erste Bürgermeisterin von Waiblingen. Daher sei es wichtig, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu intensivieren.

Das Kloster Reute öffnet sich zu den Menschen hin

Wie diese Öffnung der Kirche auf alle Menschen hin konkret aussehen kann, zeigte das Klosterbergprojekt in Reute. Die Ordensgebäude sollen einladender gestaltet werden. Und da die kleiner und älter werdende Gemeinschaft weniger Platz braucht, bauen sie einen variabel erweiterbaren Teil der Schwesternzimmer zu Appartments um für Menschen, die in ihrer Nähe leben wollen, ohne in den Orden einzutreten. Am Fuß des Hügels soll außerdem auf frei gewordenen Flächen in genossenschaftlicher Bauweise bezahlbarer Wohnraum entstehen. Schwester Maria Hanna Löhlein, Generaloberin der Reutener Franziskanerinnen, führte die Teilnehmenden bei einer Exkursion durch das leergeräumte Klostergebäude.

„Wenn wir den Berg erhalten und als Schwestern weiterhin dort leben wollen, müssen wir neu denken", hätten die Schwestern vor knapp zehn Jahren erkannt. Die Oberin benannte Elemente, die bei der Entwicklung des Klosterbergprojekts zentral waren und die auch bei anderen Referent:innen und Teilnehmenden immer wieder aufleuchteten. Zuerst habe sie sich mit anderen Visionär:innen aus dem näheren Umfeld ausgetauscht, berichtete die Ordensfrau. Als die Idee konkreter wurde, habe sich herausgestellt, dass es Begleiter:innen brauche, die von außen draufblicken und dranbleiben.

Außenblick durch externe Partner

Einer des externen Partner ist die Stadtberatung Dr. Sven Fries aus Ostfildern, die mit dem Kloster und der Akademie das zweitägige Symposium verantwortete. „Passt die Pläne an die Menschen an, nicht andersherum", nannte  Fries einen wesentlichen Grundsatz. Er riet, mit interessierten Leuten an den jeweiligen Ort zu gehen, der gestaltet werden soll, und gemeinsam zu überlegen, was hier entstehen könnte. Ein weiterer Partner, das Architekturbüro Braunger Wörtz aus Blaustein, bekam als Auflage, drei Tage im Kloster mitzuleben und in Assisi die Wurzeln der Franziskanerinnen kennenzulernen. „Mit den Schwestern ging uns ein Herz auf", sagt Marcus Wörtz im Rückblick.

Als die Schwestern dann mit Menschen aus der Umgebung ihre Visionen teilten, seien die Einwände und Widerstände teils schmerzhaft gewesen, gab Schwester Maria Hanna zu. Aber sie hätten die Sache vorangebracht, denn alle gesellschaftlichen Akteure sollten eingebunden sein. Vonseiten des Klosters gebe es die Offenheit für alle Konfessionen, Religionen und Lebensformen, wenn sie die gleichen Werte teilen.

Und was ist mit den bestehenden kirchlichen Immobilien?

Markus Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, forderte im Fortgang der von Barbara Thurner-Fromm moderierten Tagung, dass bei jeder Art von Wohnungsbau der Hebel beim Klimaschutz umgelegt werden müsse. Denn genügend Wohnungen auf einem unbewohnbarem Planeten zu haben, sei sinnlos. Dafür müsse es aber mehr Unterstützug beim Wohngeld geben, was laut Landtagsabgeordneter Andrea Lindlohr bereits umgesetzt wurde. Die Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen verwies auch darauf, dass nun Photovoltaik auf denkmalgeschützen Gebäuden möglich sei. Bei der Umnutzung und der Innenverdichtung historischer Gebäude sehe sie noch Handlungsbedarf. Das könnte für bestehende kirchliche Immobilien eine Perspektive sein.

Die Umgang mit kirchlichen Gebäuden – etwa 20.000 davon sind derzeit in Baden-Württemberg im Besitz evangelischer oder katholischer Kirchengemeinden – thematisierten ebenfalls Diözesanbaumeister Thomas Schwieren und sein Kollege Jan-Sebastian Hermann im Stuttgarter Oberkirchenrat. Die laufenden Kosten und der finanzielle Aufwand für den Erhalt seien für die kleiner werdenden Gemeinden in Zukunft nicht mehr leistbar. Daher müsse man gut überlegen, von welchen man sich trenne und welche man umgestalte. Sie empfahlen Gebäude stärker ökumenisch zu nutzen und verwiesen dabei auf den gemeinsamen Bau eines Gemeindehauses in Bavendorf bei Ravensburg.

Zusammenwirken und die Zukunft gestalten

Berthold Broll, einer der Vorstände der Stiftung Liebenau, stellte das St. Anna Quartier in Tettnang als ein Projekt mit der katholischen Kirchengemeinde, der Kommune und zwei Wohnbaugenossenschaften vor, in das die Stiftung ihr Knowhow in Sachen Mehrgenerationenhäuser, Inklusion und Gemeinwesenarbeit einbringt. Und Karin Bassler, Geschäftsführerin des Arbeitskreises kirchlicher Investoren in der evangelischen Kirche in Deutschland, sah Chancen darin, wenn die großen Kirchen in der Geldanlage kooperierten. Sie könnten Unternehmen gemeinsam zu mehr Nachhaltigkeit bewegen.

„Vieles kann man nicht steuern", gab Tatjana Fischer im Blick auf neue Stadtteile zu bedenken. Die Raumplanerin war aus Wien zugeschaltet. Und oft dränge die Politik zu raschen, aber wenig nachhaltigen Lösungen. Dennoch zieht Schwester Maria Hanna am Ende ein positives Fazit. Vernetzung, Vertrauen, dass Gott uns etwas zutraut, und Mut seien gefragt, fasste die Ordensfrau die zentralen Anstöße des Symposiums zusammen. „Ich hoffe, dass wir verbunden bleiben im Gestalten unserer Zukunft", fügte sie hinzu.