| Johannes Kuber | Geschichte und Politik
Hybrid-Tagung Hohenheim

Vorreiterinnen und Kämpferinnen

Seit mehr als 100 Jahren ist die Frauenbewegung politisch aktiv. Doch die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist noch immer nicht in vollem Maße erreicht.

Seit langer Zeit wird für die Gleichberechtigung von Mann und Frau gekämpft. Wo liegen die größten Errungenschaften? Woran sind Frauen bisher gescheitert? Wie sieht die Zukunft aus? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Tagung „Partizipationsräume von Frauen in Geschichte und Gegenwart“, die vom 23. bis 25. Juli 2021 im Tagungszentrum der Akademie in Stuttgart-Hohenheim sowie online stattfand. Veranstaltet wurde die Tagung vom Fachbereich Geschichte der Akademie in Kooperation mit dem Verein Frauen & Geschichte Baden-Württemberg und der Landeszentrale für politische Bildung.

Überblicksvorträge und Frauenbiografien

Im Fokus standen die Bereiche Bildung, Beruf sowie trans- und internationale Organisationen. Dabei wurden zeitliche Schwerpunkte auf das ausgehende Kaiserreich, die Zwischenkriegszeit sowie die „neue“ Frauenbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt. Das Tagungsprogramm setzte sich aus einer Mischung aus Überblicksvorträgen und Beiträgen zu einzelnen Frauenbiografien zusammen. So erhielten die 35 Präsenz- und 20 Online-Teilnehmerinnen einen hervorragenden Einblick in das Leben von Frauen sowie in den jeweiligen historischen Gesamtkontext, der eine Partizipation ermöglichte oder erschwerte. Die zum Teil online zugeschalteten Referentinnen sprachen beispielsweise über die politische Teilhabe von Frauenrechtsaktivistinnen und weiblichen Parlamentsabgeordneten, über die Partizipationsstrategien katholischer oder sozialistischer Studentinnen im frühen 20. Jahrhundert, oder über weibliche Durchsetzungskämpfe in Industrie und Gewerkschaften. Einen internationalen Perspektivwechsel bot der Vortrag von Oxana Nagornaj, die den Blick vom deutschen Raum zu den Partizipationsmodellen in der sowjetischen Kulturdiplomatie des Kalten Krieges wendete.

Frauenbewegung hat "die Schnauze voll"

Einen Vergleich zwischen den Partizipationsbemühungen in der „alten“ Frauenbewegung um 1900 und der „neuen“ Frauenbewegung ab den 1970er Jahren zog Susanne Maurer. Zu ihrem öffentlichen Abendvortrag, den sie unter den Titel „Wir werden uns würdig erweisen“ – „Wir haben die Schnauze voll“ gestellt hatte, konnten dank des Hybrid-Formats 50 Teilnehmerinnen zugeschaltet werden. Die Marburger Professorin erörterte, welche Strategien beide Bewegungen verfolgten und wie sie sich aktiv für ihre Belange einsetzten. In beiden Fällen erreichten Frauen Veränderungen durch Tabubrüche – in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beispielsweise durch das Heraustreten aus dem privaten in ein öffentliches Leben, in der zweiten Hälfte durch die Politisierung vermeintlich privater Themen. Ein Unterschied liegt in den Einstellungen der Frauen zu ihrer Partizipation. Die bürgerliche Frauenbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts wollte sich den Anforderungen, die eine Partizipation an gesellschaftlichen oder politischen Prozessen stellte, „würdig erweisen“, während die „neue“ Frauenbewegung laut sagte, dass sie „die Schnauze voll“ hatte von Ungerechtigkeit und Patriarchat.

In der Abschlussdiskussion blickten Teilnehmerinnen und Referentinnen auf die insgesamt 16 Vorträge zurück. Dabei wurden einige Denkempfehlungen für die zukünftige Forschung, aber auch ganz konkret für die noch immer nötigen Kämpfe um gesellschaftliche und politische Partizipationsräume gesammelt. Lebhaft wurde die Frage nach dem Nutzen eines biographischen Ansatzes diskutiert. Bei der Frage nach den zukünftigen Partizipationsmöglichkeiten wurde immer wieder betont, dass die bisherigen Partizipationsbemühungen noch nicht zu einer vollumfänglichen Gleichberechtigung geführt haben. Ein Blick auf die Geschichte der bisherigen Kämpfe kann jedoch helfen, aktuelle Probleme und Herausforderungen zu überwinden.

(Clara Müller)