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Was ist uns Gemeinschaft wert?

Was ist uns Gemeinschaft wert?

Wer ist hier das Volk? Zur Europawahl erinnert die ACK, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg, an ihr gemeinsames Papier über die Zukunft im Haus Europa.

Europa als Wertegemeinschaft. Oder: Was ist uns Gemeinschaft wert? In der 1973 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg (ACK) arbeiten inzwischen 26 Kirchen und kirchliche Gemeinschaften zusammen. Nach mehrjährigem Diskussionsprozess haben sie ein ökumenisches Europa-Manifest veröffentlicht. Darin stellen sie kritische Fragen an Europa als Wertegemeinschaft:

– Was bedeutet Gemeinschaft im Haus Europa?

– Wer ist das ‚Volk‘ im demokratischen Europa?

– Wie kann Europa angesichts unterschiedlichen Wertempfindens in Ost und West zusammenhalten?

– Wie kommt eine Gemeinschaft auch anderen zugute?

– Entsprechen sich die inneren Werte der EU und ihr Verhalten nach außen?

– Was ist die Seele Europas?

Zugespitzte Frage

Die ACK in Baden-Württemberg „spitzt die Frage nach Europa als Wertegemeinschaft zu, indem sie fragt: Was ist uns Gemeinschaft wert?“ – so der ACK-Vorsitzende, Erzpriester Dimitrios Katsanos, von der Griechisch-Orthodoxen Kirche.

Mit solchen Fragen hatte sich schon 2019 eine ACK-Jahrestagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll befasst. Dort waren Repräsentantinnen und Repräsentanten verschiedener europäischer Kirchen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Europa-Politik miteinander im Gespräch – unter anderen der langjährige Europa-Parlamentarier Elmar Brok und die ehemalige Präsidentin der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, Elisabeth Parmentier.

Inhaltliche Grundlage war ein Positionspapier der ACK, das aufgrund der Ergebnisse der Tagung seither weiterentwickelt wurde und nun als gedruckte Broschüre vorliegt.

Für ein europäisches Friedensprojekt

Darin plädiert die ACK mit Nachdruck für eine Fortführung des europäischen Friedensprojektes – angesichts eines grassierenden Nationalismus und Populismus. Aber auch angesichts der Frage, ob das Verhalten der EU nach außen und an ihren Grenzen überhaupt ihren eigenen Grundwerten entspricht.

Zugleich fragt die ACK nach dem Beitrag und den Perspektiven der Kirchen. Sie haben Erfahrungen im ökumenischen Umgang mit Differenzen und Konflikten, die sie einbringen können. Ökumenische Bewegungen und Gemeinschaften in ganz Europa können beispielhaft auch für politische Prozesse sein.

Fünf ökumenische Thesen

Die ACK formuliert fünf Thesen zu Europa als Wertegemeinschaft.

1 Eine Gemeinschaft braucht Solidarität und Subsidiarität, weil jeder einzelne Mensch „im Haus Europa“ auf die Gemeinschaft angewiesen ist und die Gemeinschaft auf jeden einzelnen Menschen.

2 In einer Gemeinschaft, die das Wohlergehen der Völker zum Ziel hat, kann „Volk“ nicht abgrenzend gegenüber anderen verstanden und Demokratie nicht auf Nation verengt werden.

3 Unterschiedliches Wertempfinden muss in Europa nicht zu Konflikten führen. Die Besinnung auf das Verbindende kann zur Basis für Toleranz und Respekt werden.

4 Verfolgt die europäische Gemeinschaft nur Eigeninteressen, dann zerfällt sie nach innen. Bleibt sie jedoch in den Beziehungen nach außen ihren eigenen Prinzipien treu, dann kommen die tragenden Werte dieser Gemeinschaft auch anderen zugute.

5 Die Grundwerte, die Europa zu einer Wertegemeinschaft machen, dürfen nicht nur als Erbe oder Tradition vorausgesetzt werden. Sie müssen als bleibende Aufgabe verstanden werden: die Idee der Gemeinschaft zu leben.

Die Thesen gibt es einzeln auch auf Postkarten, die an politisch Verantwortliche oder Interessierte verschickt werden können. Die 40-seitige farbige Broschüre  kann bei der ACK-Geschäftsstelle zum Preis von € 1,50 bestellt werden.