| Dr. Christian Ströbele | Interreligiöser Dialog
Video-Dokumentation

Religion gegen Rechtspopulismus?

Auf der Jahrestagung 2022 des Theologischen Forums Christentum – Islam widmet sich der Literaturforscher Heinrich Detering Rhetoriken und Sprachwelten heutiger Rechtspopulisten.

Von Christian Ströbele

Den Rhetoriken und Sprachwelten heutiger Rechtspopulisten widmet sich der Literaturforscher Heinrich Detering (Göttingen) in seinem Eröffnungsvortrag zur Jahrestagung des Theologischen Forums Christentum – Islam 2022. Um diese zu verstehen, seien die Analysen Viktor Klemperers (1880-1960) immer noch von hohem Erkenntniswert. Man könne aus diesen lernen, dass die Hinwendung zu Satzbau, Wortwahl und Performanz rechtspopulistischer Aussagen den Blick für die damit zum Ausdruck gebrachte Ideologie schärfe. Detering stellt dies an verschiedenen Beispielen dar. Die zentrale Denkfigur sei dabei „Suggestion eines unüberbrückbaren, notwendig feindlichen Gegensatzes zwischen einer geschlossenen und homogenen Gruppe der Eigenen und einer ebenso geschlossenen und homogenen Gruppe der Anderen: ‚wir hier‘ gegen ‚die da‘.“ Diese Feindgruppe werde beispielsweise in Reden der AfD „mehr oder weniger umstandslos mit ‚dem‘ Islam identifiziert“.

"Die da – wir hier": Anmerkungen zu rhetorischen Strategien der Rechten – und zu einem Gegenbeispiel

Gegen dieses Narrativ setzt Detering, dass die Befassung mit dem Islam so wesentlich zur deutschen Literatur zähle, dass bereits Goethe auf „eine ganze Bibliothek deutscher Islam-Kenntnisse zurückgreifen“ konnte. Es bleibt zum Abschluss die Frage: „Was macht alle gesellschaftlichen Gruppen und die Verbindung von uns aus?“ Detering verweist dazu mit Jacob Grimm auf die deutsche Sprache, die mit all dem, was in dieser Sprache geschrieben und gedacht worden ist, „unendlich mehr“ enthalte, als man auf den ersten Blick ersehe.

Diskussion zu drängenden Fragen

Das Thema „Rechtspopulismus und Religion“ erwies sich als ein Zusammenhang, in dem die christlichen und islamischen Theologien im Gespräch mit anderen Wissenschaften eine Fülle brisanter und aktuell drängender Fragen diskutieren konnten. Als zentral zeigte sich immer wieder der parallele, christliche wie islamische Konstellationen kritisch betrachtende, Blick auf einerseits Allianzen zwischen Rechtspopulismus und Religion, andererseits Gegenbewegungen und deren Begründung sowie Wirksamkeit. Wiederholt wurde dabei zurückgefragt, was jeweils (Rechts-)Populismus ausmacht.

Wie können Religionen mit Rechtspopulismus umgehen? Diskussion mit Markus Dröge, Frank van der Velden und Murat Kayman

Ein weiterer Diskussionskomplex war die Frage, inwiefern die Rede von „Kultur“, „Identität“ und einem „Volk“ positiv konnotiert ihre Berechtigung haben kann und wann es sich um gefährliche Verwendungsweisen dieser Begriffe handelt. Damit eng zusammen hängt die Frage nach der Bedeutung dieser Begriffe in unterschiedlichen Kontexten. Wo bestehen Konvergenzen, aber auch Divergenzen in der Verwendung des Begriffs „Volk“ in religiösen Zusammenhängen („Volk Gottes“), in einem gesellschaftlichen Diskurs der Zugehörigkeit oder in einem staatsrechtlichen Kontext (Art. 20 Abs 2 Grundgesetz: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“)?

Gerade die unterschiedlichen Perspektiven auf gegenwärtige christliche und islamische Konstellationen, sowohl in deutschen wie internationalen Verortungen, gaben ein beredtes Zeugnis von der Wichtigkeit des Themas und dessen Bearbeitung im interdisziplinären und interreligiösen Gespräch.

Auf der Forumshompage sind weitere Beiträge zugänglich. Ein Tagungsband erscheint Anfang 2023 in der Publikationsreihe des Forums.

Heinrich Detering
Den Rhetoriken und Sprachwelten heutiger Rechtspopulisten widmet sich Prof. Heinrich Detering (Göttingen) in seinem Eröffnungsvortrag "Die da – wir hier" Anmerkungen zu rhetorischen Strategien der Rechten – und zu einem Gegenbeispiel.
In der Abschlussdiskussion der Jahrestagung diskutieren Markus Dröge (Bischof a.D., Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz), Frank van der Velden (Bistum Limburg/Universität Mainz) und Murat Kayman (Alhambra Gesellschaft) darüber, wie Religionen mit Rechtspopulismus umgehen können. Moderiert wird das Gespräch von Tobias Specker.