| Dr. Hussein Hamdan | Interreligiöser Dialog

Mehr Mut zur Vielfalt

Was läuft schief in der Berichterstattung über Muslim:innen und den Islam? Mit dieser Frage nahm die Journalistin Julia Ley bei ihrem Vortrag die Medien kritisch in den Blick.

Von Anna Berger

Drei von vier Berichten in deutschen Medien zeichnen ein negatives Bild von Muslim:innen und dem Islam – zu diesem Ergebnis kommt die Langzeitstudie, die das Forschungsinstitut Media Tenor veröffentlicht hat. Media Tenor hatte dafür rund 820.000 Berichte in 19 „tonangebenden“, deutschen TV-, Radio- und Printmedien im Zeitraum von drei Jahren bis Ende November 2016 ausgewertet. Dies thematisierte die Journalistin und Nahostwissenschaftlerin Julia Ley in ihrem Vortrag „Schleier, Clans und Gotteskrieger: Was in der Berichterstattung über MuslimInnen und den Islam schiefläuft".

Die Abendveranstaltung fand Ende Juli im Hybridformat sowohl digital als auch vor Ort im Tagungszentrum Hohenheim statt. Insgesamt verfolgten etwa hundert Zuhörer:innen den Vortrag und die anschließende Diskussion. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Hussein Hamdan, Leiter des Fachbereichs „Muslime in Deutschland“ an der Akademie.

Konflikte stehen häufiger im Fokus

Ursachen für das verzerrte Islambild in den Medien liegen laut Julia Ley unter anderem darin, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Medienpersonal vergleichsweise wenig vertreten seien. Hinzu komme, dass Konflikte einen höheren Nachrichtenwert besäßen und daher häufiger im Fokus der Berichterstattung stünden. Darüber hinaus sei es aufgrund der mangelnden zeitlichen oder finanziellen Ressourcen im redaktionellen Alltag schwierig, die vielfältigen Themen, mit denen sich die Journalist:innen auseinandersetzen, jeweils differenziert zu untersuchen, so Leys Thesen.

Unser Interview mit Julia Ley finden Sie hier.

Darüber hinaus skizzierte die Journalistin verschiedene Lösungsansätze, wie eine vorurteilsfreie Berichterstattung aus ihrer Sicht gelingen kann. „Es braucht einfach mehr Muslim:innen in den Redaktionen“, forderte Julia Ley: „Schon die einzelne Muslimin oder der einzelne Muslim, der in der Redaktionskonferenz sitzt und widerspricht, wenn eine These zu verkürzt oder pauschal gerät, kann etwas ändern.“

Glaube an die Diversifizierung

Trotz der aus ihrer Sicht mehrheitlich negativen Darstellungen von Muslim:innen in den Medien, gebe es auch positive Entwicklungen, betonte die Journalistin und verwies darauf, dass die Diversifizierung des Medienpersonals in den letzten Jahren bereits zugenommen habe. Als Beispiel für einen differenzierten Umgang mit Themen wie Muslim:innen und Islam hob Julia Ley die Neuen Deutschen Medienmacher:innen hervor. Der Verein, dessen Vorsitzende Ferda Ataman im Juli diesen Jahres zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung ernannt worden ist, setzt sich dafür ein, dass sich die Vielfalt der deutschen Gesellschaft auch in den Medien widerspiegelt.

Im Anschluss an den Vortrag stellten die Zuhörer:innen einige Fragen zum Umgang mit vorurteilsbehafteter Berichterstattung. Was kann man tun, wenn Aussagen falsch wiedergegeben werden oder die eigene Perspektive kein Gehör findet? Für solche Fälle gebe es Formate wie Gegendarstellungen oder Leserbriefe, erklärte Julia Ley und ermutigte dazu, diese aktiv zu nutzen.

Abschließend rief Ley die muslimischen Verbände dazu auf, die eigene Medienarbeit zu professionalisieren. Das sei ein wichtiger Schritt, um die Darstellung des Islam in den Medien langfristig zu verändern.

Julia Ley wünscht sich mehr Menschen mit Migrationshintergrund im Medienpersonal.